Mexiko:Hunderte Kinder aus Heim befreit

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Sie schliefen zwischen Ratten und Insekten, mussten betteln gehen und wurden sexuell missbraucht: Polizei und Armee haben bei einer Razzia ein Heim in Mexiko gestürmt und Hunderte Bewohner befreit. Die meisten von ihnen waren Kinder.

  • Polizei und Armeekräfte haben in Mexiko Hunderte Menschen befreit, die unter unwürdigen Bedingungen in einem Armenheim hausen mussten.
  • Die Bewohner mussten betteln gehen und wurden sexuell missbraucht.
  • Der Heimleiterin und acht weiteren Mitarbeitern wird Freiheitsberaubung vorgeworfen.

Razzia in Armenheim

Die Einrichtung, in der Menschen aus armen Verhältnissen gelebt haben, trägt den wohlklingenden Namen "La Gran Familia" - "Die große Familie". Doch was sich in dem Heim in der Stadt Zamora im mexikanischen Bundesstaat Michoacán abgespielt hat, hat mit einem geordneten und harmonischen Familienleben nichts zu tun.

Etwa 450 Kinder und mehr als 100 Erwachsene sollen dort unter erbärmlichen Bedingungen in Schmutz und Elend gehaust haben. Die Heimleiterin soll die Kinder als Bettler benutzt und zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Außerdem hätten sich die Bewohner von verfaulten Lebensmitteln ernähren müssen. Ihre Schlafplätze seien von Insekten und Ratten verunreinigt gewesen, so Chefermittler Tomás Zerón.

Bei einer Razzia haben Polizei und Armeekräfte am Dienstag das Heim gestürmt und alle Bewohner befreit. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden die Heimleiterin sowie acht Mitarbeiter festgenommen. Ihnen wird Freiheitsberaubung vorgeworfen.

Die Vorgeschichte

Schon in der Vergangenheit hatte es den Ermittlern zufolge etliche Anzeigen gegen die Betreiber des Heims gegeben. Grund für den Räumungseinsatz war die vermutung der Polizei, dort fünf vermisste Kinder zu finden. Tatsächlich fanden die Einsatzkräfte die Kinder dort - sowie Hunderte weiterer Minderjähriger und Erwachsener, die in Gefangenschaft lebten.

Unklar ist derzeit noch, wie die Kinder und Erwachsenen in der Einrichtung gegen ihren Willen festgehalten werden konnten. Laut Medienberichten soll die Gründerin und Leiterin von "La Gran Familia" die treibende Kraft gewesen sein.

Unter den Kindern, die in dem Heim gefunden wurden, waren auch sechs Babys und Kleinkinder im Alter zwischen zwei Monaten und drei Jahren. Die Erwachsenen, die in der Einrichtung lebten, sind zwischen 18 und 40 Jahre alt - was darauf hindeutet, dass sie möglicherweise alle dort zur Welt kamen und das Heim auch nach Erreichen des Erwachsenenalters nicht verlassen durften. Neugeborene, die in der Einrichtung zur Welt kamen, wurden nach Angaben der Ermittler als Kinder der Gründerin eingetragen. Die richtigen Eltern seien daran gehindert worden, ihre Kinder aufzuziehen.

Kritik an den Ermittlern

Auch die Strafverfolgungsbehörden müssen sich wegen ihres Vorgehens kritische Fragen stellen lassen. Den Hinweis, dass die fünf gesuchten Kinder in dem Heim festgehalten wurden, hatte die Polizei von deren Eltern erhalten. Nach Angaben des Gouverneurs von Michoacán, Salvador Jara, waren erste Hinweise dieser Art jedoch schon vor mehr als einem Jahr eingegangen. Nach der Durchsuchung von "La Gran Familia" meldeten sich der Staatsanwaltschaft zufolge bereits weitere Eltern, die sagten, ihre Kinder seien in dem Heim gefangengehalten worden.

© AFP/dpa/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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