Lynchjustiz in Bremen:Tatverdächtiger stellt sich

Lesezeit: 1 min

  • Im Fall der Lynchjustiz nach einem TV-Beitrag über einen vermeintlichen Pädophilen hat sich ein erster Tatverdächtiger bei der Polizei gestellt.
  • Ein Mob hatte einen 50-Jährigen in Bremen lebensgefährlich verletzt.
  • Tatsächlich handelte es sich in der RTL-Sendung aber um einen anderen Mann, der laut Polizei ebenso unschuldig ist wie das zusammengeschlagene Opfer.

Im Fall der Lynchjustiz nach einem TV-Beitrag über einen vermeintlichen Pädophilen hat sich ein erster Tatverdächtiger bei der Polizei gestellt. Er räumte ein, zusammen mit weiteren Männern am Dienstag in Bremen-Lesum einen 50-Jährigen in seiner Wohnung zusammengeschlagen zu haben, sagte eine Polizeisprecherin. Es werde nun den Hinweisen nachgegangen, die sich aus den Aussagen des Mannes zu dem Geschehen ergeben hätten.

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen die größtenteils noch unbekannten Männer wegen des Verdachts eines versuchten Tötungsdelikts. Ein Mob aus bis zu zehn Männern hatte das Opfer nach Zeugenaussagen für einen Pädophilen gehalten, der angeblich in dem Bericht der RTL-Sendung "Punkt 12" zu sehen gewesen war. Die Männer schlugen diesen so heftig zusammen, dass er zeitweise in Lebensgefahr schwebte.

Tatsächlich handelte es sich aber um einen anderen Mann, der laut Polizei ebenso unschuldig ist wie das zusammengeschlagene Opfer: Der im TV-Beitrag gezeigte Mann habe sich noch am Tag der Ausstrahlung an die Polizei gewandt, sagte die Sprecherin. Wie die Ermittlungen ergaben, steht der Mann in keinem Zusammenhang mit dem in der Sendung dargestellten Fall der Pädophilie.

Laut Polizei wurde in dem RTL-Beitrag gezeigt, wie ein Reporter über das Internet Kontakt zu vermeintlich Pädophilen sucht. Dabei wurde auch ein Mann gefilmt, "dessen Verhalten durch die Reporter als verdächtig beschrieben" worden sei. Im Internet ist der Beitrag nicht mehr auffindbar. RTL hat ihn gesperrt und wollte ihn prüfen. Ebenso wie die Staatsanwaltschaft.

Von RTL hieß es, man sehe in der Berichterstattung keinen Fehler: "In dem Beitrag ist zu keinem Zeitpunkt behauptet worden, dass der Mann pädophil ist. Wir haben nur die Recherche abgebildet." Zudem sei der Mann verpixelt worden, um ihn unkenntlich zu machen.

© SZ.de/dpa/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lynchjustiz in Bremen
:"Das ist für alle hier eine schreckliche Geschichte"

Ein Mann wird fast totgeprügelt, weil Zuschauer ihn in einem TV-Bericht als Kinderschänder erkannt haben wollen. Der Fall steht für ein Phänomen, das immer wieder zu blutigen Übergriffen auf unbescholtene Menschen führt.

Von Thomas Hahn

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: