Las Vegas:Sturz eines Zauberers

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Der deutsche Magier Jan Rouven bei der Arbeit. Er wurde von einem Gericht in Las Vegas zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. (Foto: Eckehard Schulz/AP)
  • Der deutsche Unterhaltungskünstler Jan Rouven war einer der erfolgreichsten Zauberer in Las Vegas.
  • Kürzlich hat das FBI im Poolhaus seiner Villa zwei Computer gefunden, auf denen knapp 2500 Videos und mehr als 100 Fotos mit Kinderpornografie gespeichert sein sollen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Sieben. So viele Leben schreibt sich Jan Rouven selbst zu. Das erscheint passend. Der deutsche Magier malträtierte während seiner Vorstellungen im Tropicana Hotel von Las Vegas seinen Körper mal mit Bohrern, mal mit Kreissägen, er hing gefesselt über einer Bärenfalle oder war in einem Wassertank gefangen. Am Ende jeder Nummer freilich stand der 37-Jährige unversehrt auf der Bühne mit einem Lausbubenblick, der wie sein rheinischer Akzent zum Markenzeichen wurde.

Dieser Zauberer hob sich durch Freundlichkeit ab von seinen Kollegen. Er war nicht so geheimnisvoll wie David Copperfield im MGM Grand und nicht so abgefahren wie Criss Angel im Luxor. Er war einer, der sich nach jeder Show mit den Zuschauern fotografieren ließ. Bis jetzt. Denn nun sieht es so aus, als wäre jedes von Rouvens sieben Zauberer-Leben zerstört.

Auf seinen Computern hat das FBI Kinderpornographie gefunden

Ermittler der Bundesbehörde FBI haben im Poolhaus seiner Villa ein paar Kilometer von Las Vegas entfernt zwei Computer gefunden, auf denen knapp 2500 Videos und mehr als 100 Fotos mit Kinderpornografie gespeichert sein sollen. Seit drei Wochen sitzt Rouven im Gefängnis, an diesem Donnerstag soll er angeklagt werden, ihm drohen Jahrzehnte im Gefängnis.

Laut Rouvens Anwalt Jess Marchese liegt den Ermittlungen, bei denen sich ein Undercover-Agent Zugang zu einem illegalen Filesharing-Dienst verschafft hatte, ein Missverständnis zugrunde. Rouven sei das Opfer seiner eigenen Gutmütigkeit, er habe sein Internet-Passwort sämtlichen Gästen bereitwillig verraten, von denen einer die schmuddeligen Inhalte heruntergeladen haben müsse: "Im angegebenen Zeitraum waren zahlreiche Besucher da. Jan hatte niemals Kontakt zu diesen Inhalten, er weiß nichts davon."

Laut Marchese geht es Rouven im Gefängnis schlecht: "Andere Häftlinge sind auf mutmaßliche Kinderschänder nicht so gut zu sprechen. Jan begreift gar nicht, dass sie ihm nach dem Leben trachten." Die Vorwürfe werden dadurch verstärkt, dass es Frank Alfter war, der den Ermittlern offenbar erzählt hat, dass Rouven andauernd Pornos geschaut habe und der einzige Besitzer des fraglichen Passworts gewesen sei. Alfter ist der Ehemann und Manager des Zauberers.

Größer, krasser, spektakulärer: Das sind die Regeln von Vegas

Wer schon mal in Las Vegas war, der kennt die beiden wichtigsten Regeln dieser Stadt: Aufgrund der knallharten Konkurrenz auf dem Strip muss alles größer, spektakulärer, krasser sein als im Nachbarhotel. Der Sommelier im Restaurant muss die georderte Weinflasche über den Köpfen der Besucher schwebend aus einem zwölf Meter hohen Glasturm holen, die Rutsche in den Hotelpool führt durch einen Wassertank mit Haien darin, ein Magier muss während einer Vorstellung mindestens drei Mal dem Tod entrinnen.

Die zweite Regel lautet, dass dieses Große, Spektakuläre und Krasse nicht nur über die riesigen Plakate an den Hotelfassaden kommuniziert wird, sondern über vermeintliche Geheimtipps in den Online-Reiseführern.

Nur dank solcher Superlative konnte ein unbekannter deutscher Zauberer namens Jan Rouven Füchtener binnen weniger Jahre einer der beliebtesten Darsteller von Vegas werden; ein Unterhaltungskünstler, der für seine Show nur zehn Dollar weniger Eintritt verlangen kann als der Weltstar David Copperfield und der darin Originalrequisiten des Duos Siegfried und Roy verwenden darf. Rouvens Illusionen wurden gleich zwei Mal zur "besten Magic Show in Las Vegas" gekürt, 2013 und 2015. Vor zwei Jahren verlieh ihm die International Magicians Society dann den "Merlin Award", die höchste Auszeichnung für Magier überhaupt. Seither gehörte er zur Elite.

Den Traum einer Zaubererkarriere hatte Rouven schon in jungen Jahren. Er wuchs im nordrhein-westfälischen Kerpen auf, mit 16 Jahren ließ er nach eigenen Angaben seine Musiklehrerin schweben. Er trat zunächst in Freizeitparks in Deutschland auf, bei "Stars in der Manage" waren Philipp Lahm und Oliver Pocher 2008 seine Assistenten, im Jahr drauf versuchte er sich beim Hokuspokus-Langweiler "The Next Uri Geller".

Vor Gericht gilt die Unschuldsvermutung, im Showbiz nicht

Erst im Juli 2011 wagte sich Rouven nach Las Vegas. Seine erste Show war klein und fand im unbedeutenden und mittlerweile abgerissenen Clarion Hotel abseits des Strips statt. Doch die Geheimtipp-Maschine der Stadt funktionierte. Nur sechs Monate später wechselte er auf eine mittelgroße Bühne im Riviera, und seit November 2014 war er mit der Show "The New Illusions" eine der Attraktionen im Tropicana. Viel größer ging es nicht. Rouven war jetzt ein Star, auch nach dem Maßstab von Las Vegas. Er wurde als Nachfolger von Siegfried und Roy gehandelt. Und seitdem er sich mal kopfüber vor der Skyline von Las Vegas hängend aus einer Zwangsjacke befreit hatte, sahen ihn manche sogar als Erben des großen Harry Houdini. Auch deshalb ist der Skandal um ihn jetzt so groß, spektakulär und krass.

"Wir sind bestürzt über diese Ermittlungen und haben sogleich sämtliche Geschäftsverbindungen zu Rouven und seiner Produktionsfirma gekappt", sagt der Tropicana-Manager Philippe Khouri. All seine Shows seien abgesagt worden. Anwalt Marchese hat unterdessen angekündigt, dass Rouven auf nicht schuldig plädieren werde. Sein Mandant sei "so lange unschuldig, bis ihm das Gegenteil bewiesen wird". Das stimmt natürlich.

Doch im amerikanischen Showbusiness gelten andere Regeln als vor Gericht. Der Magier Murray Sawchuck etwa, Jan Rouvens Vorgänger im Tropicana, glaubt, dass das Hotel für eine lange Zeit keinen Zauberer mehr beschäftigen wird und dass auch kein anderes Etablissement in der Stadt Rouven eine zweite Chance geben dürfte - selbst, wenn sich herausstellt, dass er unschuldig ist: "Bei jedem möglichen Nachfolger und bei jeder neuen Show werden die Leute fragen, ob das der Typ mit den Kinderpornos ist."

Denn das ist die dritte Regel von Las Vegas: Ein Star, und sei er noch so groß, hat bei Anschuldigungen dieser Größenordnung nur ein einziges Leben.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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