Kriminalität:Knöllchen-Kampf

Prozess in Aachen

Mit einem Radmutterschlüssel soll der Angeklagte einem Polizisten die Augenhöhle zertrümmert haben.

(Foto: Ralf Roeger/dpa)

Fäuste, Radmutterschlüssel, Pfefferspray: Wie in Aachen ein Streit über eine Verwarnung zu Gewalt eskalierte. Und inzwischen vor dem Landgericht landete.

Am Anfang steht ein einfacher Strafzettel. Dann stürmen Vater und zwei Söhne auf die Straße, Worte werden gewechselt, die Situation eskaliert. Am Ende sprechen Fäuste, Pfefferspray kommt zum Einsatz, Männer schlagen mit Werkzeug auf fünf Polizisten ein - mit schlimmen Folgen. Nun stehen die drei Angreifer in Aachen vor Gericht.

Es war an einem Samstag im November 2016, als bei der Polizei in Düren ein Notruf einging. Ein städtischer Verkehrsüberwacher werde attackiert, hieß es. Nur weil er ein Knöllchen geschrieben habe, werde er nun mit dem Tod bedroht. Ein 47-jähriger Anwohner solle gesagt haben, er werde den Mann umbringen, falls sich dieser noch einmal in seiner Straße blicken ließe. Eine Streife wird in die Straße geschickt, für die Beamten, so heißt es später bei der Polizei, seien solche Vorfälle Alltag. Doch diesmal ist vor Ort die Stimmung besonders angeheizt. Schon der erste Beamte wird mit wüsten Beschimpfungen empfangen. Als der Polizist antwortet: "Hier gewinnt nicht der, der am lautesten schreit", mischt sich laut Anklage der 29 Jahre alter Sohn ein: "So spricht man nicht mit meinem Vater!" Nun drückt der Polizist die Notruftaste in seinem Streifenwagen - nach und nach trifft Verstärkung ein. Die Situation entspannt sich dadurch nicht. Im Gegenteil. Der Vater greift nach einen Radmutterschlüssel und attackiert einen Polizisten, dessen Kollege wiederum geht mit Pfefferspray auf den Angreifer los. Vollends eskaliert die Situation als der 29-Jährige einen Polizisten mit einem Faustschlag niederstreckt und ihm mit dem Werkzeug auf den Kopf haut. Dabei soll er dem 37 Jahre alten Beamten die Augenhöhle zertrümmert haben, worunter dieser - wie sein Anwalt vor Gericht betont - noch immer leide.

Dass die Gewalt gegen Ordnungshüter stark zugenommen habe, darauf haben Gewerkschaftsvertreter zuletzt hingewiesen. Von einer jährlichen Zunahme um 20 Prozent spricht die Gewerkschaft der Polizei für 2016 allein in Nordrhein-Westfalen. 17 000 Beamte sollen hier im Dienst beleidigt, bedroht oder angegriffen worden sein. Andere Quellen behaupten, dass die Fälle von Widerstand gegen die Staatsgewalt in den vergangenen zehn Jahren statistisch eher nicht zugenommen habe. Da allerdings Polizisten bei Einsätzen heute häufiger in Teams unterwegs seien, würden bei einem Vorfall statt einem gleich mehrere Opfer gezählt. Auch die Zählung der Ermittlungsverfahren verfälsche die Statistik. Dennoch: Ein gerade vom Bundestag verabschiedetes Gesetz zur "Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten" sieht für Attacken gegen Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte künftig bis zu fünf Jahre Haft vor.

60 Zeugen sind in dem Verfahren, das noch bis zum 31. August laufen soll, geladen. Auf der Anklagebank sitzt der Sohn, der dem Polizisten die Augenhöhle zertrümmert haben soll, sein Bruder und der Vater. Es geht um gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. So richtig, scheint es, können sich die Mitglieder der kinderreichen Familie den Vorfall selbst nicht erklären. Einer der Söhne betont, er sei früher Messdiener gewesen und stecke gerade bei seinem Studium in den letzten Zügen. Sein Bruder habe sich an der Abendschule zum staatlich geprüften Betriebswirt ausbilden lassen. Alles ganz normal. Bis das Knöllchen kam.

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