Kriminalität:Das gläserne Leben der Kim Kardashian

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"Schwer mitgenommen, aber unverletzt": Kim Kardashian kurz vor dem Überfall, als Gast auf einer Modenschau. (Foto: Pascal Le Segretain/Getty Images)

Brachte der TV-Star mit seinen offenherzigen Fotos auf Instagram die Diebe erst auf seine Fährte? Die Pariser Modewoche diskutiert den Raubüberfall.

Von Tanja Rest, Paris

Es ist wieder mal ein Riesenset, das Karl Lagerfeld im Grand Palais installiert hat. "Data Center Chanel": Datenspeicher, Kabelstränge, glimmende Schaltkreise. Und tatsächlich ist das Publikum an diesem Dienstagmorgen schon vor der Show wie elektrisiert. Aber nicht wegen Chanel. Sondern wegen Kim Kardashian.

Keiner hier hätte dem Reality-TV-Star das Trauma eines bewaffneten Raubüberfalls gewünscht, das gewiss nicht. Aber ein wenig Hohn schwingt doch mit. "Das kommt davon, wenn man den Leuten immer mitteilt, wo man sich aufhält, was man dabei hat und wie viel es gekostet hat", sagt eine Modechefin. "Ach komm, neun Millionen Euro, das ist für Kim doch ein Witz", assistiert ihre Assistentin etwas großspurig. "Jetzt ist auf deren Instagram-Account endlich mal Ruhe", ätzt eine Dritte. Wenn man bedenkt, dass dies die gleichen Leute sind, die in den vergangenen Tagen immer dann nach Luft geschnappt haben, wenn Kim Kardashian ihre ausladenden Formen zur Tür hereinschob, kommt einem das ein bisschen unfair vor.

Chanels "Data Center" übrigens ist für diesen Fall, der vor allem ein Kriminalfall ist, aber vielleicht auch ein Netzgeschichte, das gar nicht mal so falsche Bild. Doch zunächst die noch unbestätigten Fakten.

Nachdem sie auf der Pariser Modewoche die Givenchy-Show ihres Freundes Riccardo Tisci und ein spätes Dinner mit dem Designer Azzedine Alaïa besucht hatte, begab sich Kardashian zurück in ihr Hotel an der Place de la Madeleine, wo sie eine private Suite gemietet hatte. Polizeiquellen zufolge wurden auf der Straße fünf als Polizisten verkleidete Männer gesehen; zwei davon zwangen den Nachtportier, ihnen den Weg zur Suite zu zeigen. Dort überwältigten sie Kardashian, bedrohten sie mit vorgehaltener Waffe und ließen sie später gefesselt im Badezimmer zurück. Sie stahlen einen Ring im Wert von vier Millionen Euro, eine Schatulle mit Schmuck im Wert von weiteren fünf Millionen Euro und gelten seither als flüchtig. Eine Sprecherin von Kardashian teilte mit, der Star sei "schwer mitgenommen, aber unverletzt."

In New York brach Kardashians Ehemann, der Rapper Kanye West, wenig später ein Konzert mit der Begründung ab, es handele sich um einen familiären Notfall. Der ganze Kardashian-Clan hat Paris inzwischen verlassen. Bürgermeisterin Anne Hidalgo verurteilte den Raubüberfall.

Für Kim Kardashian, 35, international bekannt geworden durch die US-Reality-Soap "Keeping up with the Kardashians", ist Öffentlichkeit ein Geschäftsmodell. Sie hat 84 Millionen Follower auf Instagram, das ist bares Geld. Wer ihr folgt, darf ihr nicht nur tief ins Dekolleté und auf den berühmten Hintern starren, er wird auch Zeuge einer als Privatleben getarnten Werbewelt, die Marken in Gestalt von Kleidern, Autos, Promis wie selbstverständlich promotet. Er erfährt nicht zuletzt, wo sich die Frau gerade aufhält, was sie eingepackt hat und was sie als Nächstes plant. Der "Data Center Kardashian" ist gläsern, für jedermann immer einsehbar.

Ein Grapscher wollte Kardashians Hintern küssen

Erst am vergangenen Mittwoch hat ein in der Modebranche bekannter Grapscher versucht, Kardashians Hintern zu küssen, als sie auf dem Weg war ins Pariser Restaurant L'Avenue. Derselbe Mann, ein ehemaliger ukrainischer Fernsehreporter, hatte wenige Tage zuvor auf der Mailänder Modewoche das Model Gigi Hadid nach einer Max-Mara-Show von hinten gepackt und hochgehoben, worauf sie ihm eins mit dem Ellbogen verpasste. Gigi Hadid hat 24 Millionen Follower bei Instagram.

Die Deutungshoheit über das, was Sonntagnacht in Paris passiert ist, wird bizarrerweise nun ebenfalls in den sozialen Medien verhandelt. Auf seinem Blog beteuert Kardashians Bodyguard Pascal Duvier seine Unschuld und macht Muskelspiele. An die Adresse der Täter: "Wir haben Informationen und werden euch finden." Andere glauben längst zu wissen, dass der Überfall nur eine raffinierte Inszenierung der Kardashians war, um den eigenen Marktwert noch weiter zu steigern. Offenbar haben sich sehr viele Menschen schon längst angewöhnt, nichts von dem für wahr zu halten, was ihnen im Netz so serviert wird.

Nur von einer, der Hauptperson, hört man nichts. Kim Kardashian sei mittlerweile wieder in New York angekommen, sagt ihre Sprecherin. Das ist alles. Das vorerst letzte Foto zeigt sie beim Verlassen ihres Hotels, sie trägt schenkelhohe Stiefel, Trenchcoat und darunter gut erkennbar nichts. Man muss kein Paris-Kenner sein, um den Hintergrund zu identifizieren. Es ist die Place de la Madeleine.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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