Kindesmissbrauch:Flüchtiger Straftäter gibt TV-Interview

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Die Schweiz sucht einen geflüchteten Missbrauchstäter. Zu seinem Schutz wird die Fahndung zunächst geheimgehalten. Ausgerechnet als die Polizei die Öffentlichkeit informiert, strahlt RTL ein Fernsehinterview mit dem Gesuchten aus.

Von Charlotte Theile

Christoph Egger wird als der "bekannteste Pädophile der Schweiz" bezeichnet. Vor einem halben Jahr hatte der 46-Jährige mit einem regionalen TV-Sender über seine Neigung, frühere Missbrauchs-Taten und seinen Kampf für ein straffreies Leben gesprochen. Zur Therapie gehört auch ein chemisches Kastrationsmittel, das ihm alle drei Monate gespritzt wird. Nun ist Christoph Egger seit drei Wochen auf der Flucht.

Am 3. März strahlte der deutsche Privatsender RTL ein Interview mit dem Geflüchteten aus, aufgenommen in einer historischen Villengegend bei Basel ("Ich habe meine Opfer immer geliebt"). Erst am Tag der Ausstrahlung erfuhr die Schweizer Öffentlichkeit von der Fahndung. "Kinderschänder auf der Flucht! Wie lange wirkt seine chemische Kastration?", titelte die Boulevard-Zeitung Blick, andere Zeitungen zogen nach. Marc Graf, Direktor der Forensisch Psychiatrischen Klinik Basel, in der Egger bis zum 12. Februar behandelt wurde, räumt ein: "Diese Situation wirkt kafkaesk." Erst habe man die Flucht Eggers zu seinem Schutz geheim gehalten, dann wählte er selbst die große Bühne. Dass der TV-Auftritt auf den Tag fiel, an dem die Polizei die Öffentlichkeit informierte, sei Zufall, sagt Graf.

Kritik an der Behandlung des Pädpophilen

Unterdessen hat sich der Basler Justizkritiker Peter Zihlmann als "Berater" Eggers zu Wort gemeldet. Er klagte, wiederum im Blick, über die Behandlung, die der Pädophile erfahren habe. Egger sei unterfordert, frustriert, müsse Mandalas ausmalen. Ein Bericht, der am 11. Februar vorgelegt wurde, habe eine ungünstige Prognose gestellt; es war von Rückfallgefahr die Rede. Tags darauf war Egger weg. Seine Akten liegen öffentlich vor. Sie sorgen für weiteren Zündstoff - und eine Grundsatzdebatte: Ein Psychiater aus Zürich bezeichnete Egger als "austherapiert", die Behandlung der Basler Kollegen als "Sackgasse". Statt Hilfe habe der Pädophile dort "Drangsalierung und Zwängerei" erfahren.

Christoph Egger kämpft dafür, in Freiheit zu leben. Er war 1993 beim Sex mit Kindern erwischt worden, bekam zwölf Jahre Haft. Nach der Entlassung hatte Egger im Internet sexuellen Kontakt zu Jugendlichen gesucht. Aufgrund der früheren Taten erhielt er eine "stationäre Maßnahme" in der Uniklinik Basel. Egger argumentiert, die Kastration ermögliche ihm, straffrei zu leben - ein Aufenthalt in der Forensischen Psychiatrie sei nicht notwendig.

"Er war bereits auf dem Weg in eine ambulante Therapie, sonst hätte er keinen unbegleiteten Ausgang bekommen", sagt Klinikchef Graf. Mit seiner Flucht sei die Freiheit für Egger "in weite Ferne gerückt". Er mache sich Sorgen um ihn, "besonders, was das Thema Suizid betrifft". Sein Patient sei Egger streng genommen nicht mehr. "Wir werden ihn nicht mehr aufnehmen", kündigt Graf an. Egger habe Therapeuten beschimpft und bedroht.

Egger hat angekündigt, er werde sich "Ende der Woche" stellen. Die Polizei setzt ihre Fahndung fort.

© SZ vom 06.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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