Kaserne Linsingen:Streit um Ekel-Unterkunft für Polizisten

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Flecken an der Wand, auf Matratzen und Decken: Der Zustand der Kaserne Linsingen ist umstritten. (Foto: Junge Polizei/ Deutsche Gewerkschaft der Polizei)
  • Am Wochenende sollten Bereitschaftspolizisten, die für den Obama-Besuch in Hannover abgestellt waren, in der Kaserne Linsingen übernachten.
  • Wegen problematischer hygienischer Zustände weigerten sie sich. Manche posteten Bilder im Netz.
  • Eine alternative Unterkunft wurde gefunden.
  • Über das Ausmaß der Verschmutzung und darüber, wie schnell das Problem gelöst wurde, sind sich die Polizeigewerkschaften und der Landkreis uneinig.

Von Barbara Vorsamer

Blut auf Matratzen, Kot und Urin auf dem Boden, Erbrochenes an den Wänden: Die hygienischen Zustände in der Kaserne Linsingen - am Wochenende vorgesehen als Schlafplatz für drei Hundertschaften der Bereitschaftspolizei - waren unzumutbar. Darüber sind sich alle Beteiligten einig. Schlafen durften die Beamten am Ende in anderen Unterkünften.

Also alles wieder gut? Mitnichten. Denn das Ausmaß der Verschmutzung bewerten die beiden Polizeigewerkschaften höchst unterschiedlich. Auch darüber, wie schnell die Einsatzleitung reagiert hat, gibt es unterschiedliche Angaben.

Die einen - zum Beispiel Landrat Tjark Bartels und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) - sprechen von einer Panne, die nicht hätte passieren dürfen, die allerdings sofort beseitigt worden sei. Die anderen - zum Beispiel Michael Haug von der Polizeigewerkschaft Deutschland (PolGD) - sprechen von "menschenunwürdigen Zuständen" und glauben, dass die Einsatzleitung erst auf Druck der Medien reagierte. Nachdem Polizisten Bilder der Verunreinigungen auf Facebook gepostet hatten, berichteten mehrere Medien über die problematische Unterbringung.

Ausweichquartier: Etwa 250 Polizisten übernachteten im Serengeti-Park in Hodenhagen. (Foto: dpa)

Es gebe klare Standards, wie Bereitschaftspolizisten bei Großereignissen untergebracht werden dürfen, sagt Dietmar Schilff, Vorsitzender der (GdP) in Niedersachsen. Mit Luxus hätten die nichts zu tun. "Mehrbettzimmer sind okay, Kaserne auch", sagt Schilff. Geregelt sei unter anderem eine Mindestquadratmeterzahl pro Person und es gebe gewisse Vorgaben für die Sanitäranlagen. "Die Kollegen erwarten kein Sternehotel."

Das fanden die Beamten, die für den Obama-Besuch in Hannover abgestellt waren, auch nicht vor. Michael Haug, der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Polizei (gehört zur PolGD), war als einer der Ersten vor Ort und beschreibt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung seine Eindrücke. "In vielen Zimmern herrschte bestialischer Gestank nach Kot, Urin und Erbrochenem." Statt eingeschweißter Laken habe auf jedem Bett ein anderer Bezug gelegen, manche davon seien ganz offensichtlich bereits benutzt worden.

Polizisten posten Bilder auf Facebook

Die Zimmer seien dann erneut gereinigt worden, allerdings lediglich Böden und Wände, was Haug zufolge vor allem den Gestank mit Chlorgeruch überdeckte. Die Einsatzleitung habe dennoch gegen 17 Uhr beschlossen, dass die Polizisten in der Kaserne nächtigen sollten. Als Reaktion darauf postete die Junge Polizei auf Facebook Bilder von blutbesudelten Matratzen, dreckigen Wänden und Teppichen, auf denen Spuren von Erbrochenem zu sehen waren.

Am Ende übernachteten die Beamten dann nicht in Linsingen. Alternative Unterkünfte wurden gesucht und gefunden - obwohl es wegen des Beginns der Hannover Messe und des Obama-Besuchs kaum ein freies Bett in Hannover und Umgebung gab. Dass die Aktion der Jungen Polizei mit der Entscheidung etwas zu tun hatte, bestreitet jedoch die GdP ebenso wie das zuständige Landratsamt Hameln-Pyrmont.

"Die Kritik war in Teilen berechtigt", sagt Sandra Lummitsch, Pressesprecherin des Landkreises. Einzelne Zimmer und einzelne Laken seien zu beanstanden gewesen. Allerdings sei sofort nach der Kritik nach Alternativen gesucht worden. Die Facebook-Posts hätten dazu nicht den Ausschlag gegeben, sagt Schilff von der GdP. "Das Problem mit der Unterkunft wurde vor Ort sachlich und professionell geklärt." Über die Kollegen, die die Bilder gepostet hätten, will er nicht urteilen, das sei ihr gutes Recht.

Unterschiedliche Angaben gibt es dazu, ob die Mehrheit oder doch nur ein kleiner Teil der Unterkunft schmutzig war. "Insgesamt waren ca. 20 Zimmer von über 400 Zimmern auf der ganzen Anlage von Verunreinigungen betroffen und ein Bettlaken von 1000", heißt es in einer Pressemitteilung des Landkreises. Dietmar Schilff sagt: "Ein Großteil der Unterkunft war anständig."

Michael Haug bezieht sich auf das Gebäude 3, in dem die Beamten untergebracht werden sollten und sagt: "Hier waren keine zehn von insgesamt 150 Zimmern bewohnbar." Seiner Ansicht nach hätten erst die öffentlichen Proteste der DPolG die Einsatzleitung zum Umdenken gebracht.

Das Ganze könnte eine Lappalie sein, eine Panne am Rande einer wichtigen Messe und eines noch wichtigeren Staatsbesuchs. Doch im Gespräch mit beiden Polizeigewerkschaftsvertretern wird deutlich, dass es ihnen um mehr geht. Beide sprechen von Wertschätzung, beide merken an, wie sehr die Polizei derzeit am Rande ihrer Kapazitäten arbeitet.

Die Kaserne Linsingen war zuletzt als Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge genutzt worden, mit einer maximalen Kapazität von 1000 Personen. "Zwischenzeitlich wurde diese auch voll ausgenutzt", sagt Landkreissprecherin Lummitsch. Derzeit stehe die Kaserne leer. Der Betrieb werde aufrechterhalten, für den Fall, dass wieder Asylsuchende ankommen.

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