Italien:Fehler im System

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Der italienische Premierminister Matteo Renzi (rechts) tröstet Michele Emiliano, Gouverneur von Apulien. (Foto: Tiberio Barchiell/dpa)

Menschliches Versagen oder veraltete Technik? Nach dem Zugunglück geht die Suche nach der Ursache weiter.

Ein Gleis, zwei Züge. Beide sind am Dienstagmittag mit etwa 100 Kilometern pro Stunde unterwegs, als sie auf gerader Strecke frontal zusammenprallen, sich ineinander verkeilen. Bei dem schweren Unglück in Süditalien verlieren 27 Menschen ihr Leben, mehr als 50 werden verletzt. Einen Tag nach der Katastrophe konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf die veraltete Technik. Im Zentrum stand am Mittwoch das fehlende automatische Kontrollsystem auf der eingleisigen Strecke nördlich der Stadt Bari. "In diesem Abschnitt sind keine automatischen Systeme im Einsatz", sagte der Chefermittler der Eisenbahnpolizei der Tageszeitung Corriere della Sera zufolge. "Es ist immer noch das alte System der Fernsprechnachrichten."

Die Helfer hatten die gesamte Nacht über nach möglichen weiteren Opfern oder Überlebenden in den zwei völlig verkeilten Zugwracks gesucht. "Wir kennen die Zahl der Passagiere nicht, weil es kein Flugzeug ist und wir keine Liste haben", sagte Staatsanwalt Francesco Giannella. Möglicherweise waren auch Ausländer unter den Todesopfern, hieß es am Mittwoch.

Die Einsatzkräfte bargen Stunden nach dem Unglück die Blackbox einer der beiden Züge, sie soll bei der Aufklärung helfen. Ob es sich um menschliches Versagen handelt oder ein technisches Problem, war weiter unklar. Die Staatsanwaltschaft der Stadt Trani ermittelt wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung gegen unbekannt.

Ein geplanter Ausbau der Strecke auf zwei Gleise hatte sich mehrmals verzögert, ein automatisches Warnsystem gab es nicht. Medienberichten zufolge informierten sich die Bahnhofsvorsteher wohl gegenseitig per Telefon, wenn die Strecke frei war. "Diese Bahnstrecke ist schon zur Hälfte mit automatischen Kontrollsystemen ausgestattet, aber leider nicht der Teil, in dem das Unglück passiert ist", sagte Massimo Nitti, Chef der Betreibergesellschaft Ferrotramviaria. "Wir müssen verstehen, wo die Kontrollkette nicht funktioniert hat." Die Zeitung La Stampa berichtete, noch in diesem Monat sollte eine Ausschreibung zur Modernisierung des Sicherheitssystems auf der fraglichen Bahnstrecke und zur Einrichtung eines zweiten Gleises starten. Etwa 55 Prozent des italienischen Bahnstreckennetzes sind eingleisig. Der Stampa zufolge wurden von der EU zur Verfügung gestellte Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro für den Haushalt 2007 bis 2013 zum Bau zweiter Gleise größtenteils nicht genutzt.

Und so geht sie weiter, die Suche nach dem Warum. Regierungschef Matteo Renzi besuchte noch am Abend die Unglücksstelle, er versprach eine vollständige Aufklärung. "Wir wollen Klarheit über das, was passiert ist."

© SZ vom 14.07.2016 / SZ, AFP, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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