Italien:Drei Tote bei Bahnunfall

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Entgleist: der voll besetzte Regionalzug 10452 am Donnerstag in Pioltello, einem Vorort von Mailand. (Foto: Stringer/Reuters)

Nahe Mailand springt ein voll besetzter Pendlerzug aus den Schienen. In Italien beschweren sich die Fahrgäste schon seit Langem über die marode Bahn.

Von Oliver Meiler, Rom

Das Unglück hat sich mit einem lauten, minutenlangen Zittern und Vibrieren angekündigt, bei 100 Kilometern pro Stunde. So erzählten es Überlebende aus dem Regionalzug 10452, der am Donnerstagmorgen kurz vor sieben Uhr in Pioltello, einem Vorort von Mailand, entgleist war. Drei Frauen kamen ums Leben, außerdem wurden etwa 46 Fahrgäste verletzt, fünf von ihnen schwer. Der Pendlerzug der lombardischen Bahngesellschaft Trenord, der um 5.32 Uhr in Cremona losgefahren war, war so voll besetzt, wie er das jeden Morgen ist: fünf Waggons, 350 Passagiere, vor allem Angestellte und Studenten auf dem Weg zur Arbeit oder zur Universität. Viele fanden mal wieder keinen Sitzplatz. Sie standen in den Gängen, als der entgleiste Zug gegen einen Strommast prallte.

Noch ist die Unfallursache unklar. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen und geht dabei vor allem der Frage nach, ob Fahrlässigkeit zu dem Unfall geführt haben könnte, etwa beim Unterhalt der Schienen, der Weichen oder des Zuges. Am wahrscheinlichsten galt zunächst, dass eine alte Schiene zwei Kilometer vor der Unfallstelle unter der Last des Zuges nachgegeben hat. Die italienischen Medien zeigten ein 20 Zentimeter langes defektes Stück Schiene mit drei großen Schrauben. Einer der Waggons soll schon an dieser Stelle entgleist sein, was das lange Vibrieren erklären würde, von dem die Augenzeugen erzählten. Erstaunlicherweise gerieten nur die mittleren drei Wagen aus der Spur, der erste und letzte dagegen blieben auf dem Gleis.

Das Unglück von Pioltello rückt eine schon lange schwelende Debatte wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Die regionalen Bahngesellschaften in Italien haben einen fürchterlichen Ruf, im Süden genauso wie im wirtschaftlich blühenden Norden. Die Züge sind vielerorts alt, schmutzig, chronisch unpünktlich, und überall ist der Platz zu knapp. Regelmäßig veröffentlichen die italienischen Zeitungen Ranglisten der bedenklichsten Pendlerstrecken. Bei der jüngsten Erhebung vom vergangenen Dezember schnitt die Verbindung zwischen Rom und Ostia am schlechtesten ab, gefolgt von der Strecke zwischen Reggio Calabria und Taranto und jener zwischen Palermo und Agrigento. Zu den zehn schlimmsten Linien zählen auch zwei im Norden. Allein in der Lombardei, der wirtschaftsstärksten Region des Landes, haben sich 25 Vereinigungen mit Tausenden aufgebrachten Pendlern gebildet. Ihre Beschwerden richteten sich bisher in erster Linie gegen mangelnden Komfort, teure Tickets und Unzuverlässigkeit der Bahn. Nun kommt die Sorge um die Sicherheit dazu.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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