Großbritannien:Abschied von Alfie

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Mehr als tausend Menschen betrauerten in Liverpool den Tod des schwerkranken zweijährigen Alfie Evans. (Foto: Paul Ellis/AFP)

Der schwerkranke zweijährige britische Junge, für dessen Therapie sich sogar der Papst eingesetzt hatte, ist am Wochenende in Liverpool gestorben. Die Eltern haben am Ende ihre Tonlage gegenüber dem Krankenhaus geändert.

Von Cathrin Kahlweit, London

Die Geschichte des kleinen Alfie Evans ist am Wochenende auf die denkbar traurigste Weise zu Ende gegangen. Sie hatte Großbritannien in den vergangenen Wochen und Monaten in Atem gehalten, und nicht nur das: Auch in Italien war das Überleben des 23 Monate alte Kleinkindes zuletzt ein Thema gewesen. Vor dem Vatikan hatten Gläubige für ihn gebetet, Lebensschützer hatten dafür demonstriert, Alfie eine letzte Chance in einem italienischen Krankenhaus zu geben. Selbst Papst Franziskus hatte sich für Alfie eingesetzt: Man möge doch "auf das Leiden der Eltern und auf ihre Bitten hören".

Doch nun ist es der Tod von Alfie, der Schlagzeilen macht; das Kind, das mit einer unheilbaren, neurologischen Krankheit in England auf die Welt gekommen war, ist am Wochenende in seiner Heimat gestorben. Anfang vergangener Woche hatten die Ärzte die lebenserhaltenden Geräte abgeschaltet.

"Mein kleiner Kämpfer hat seinen Schild niedergelegt und Flügel bekommen", schrieb Alfies Vater, Tom Evans, auf Facebook. Alfies Eltern hatten bis zuletzt daran festgehalten, dass es eine Chance für ihr Kind geben müsse, dessen Hirn durch seine Krankheit unwiederbringlich zerstört war. Sie fochten mit dem Krankenhaus und vor Gerichten dafür, ihren Sohn aus dem Liverpooler Alder Hey Hospital in die vatikanische Kinderklinik Bambino Gesu ausfliegen zu dürfen.

Die Ärzte im behandelnden Krankenhaus hatten argumentiert, dass dem Kind nicht mehr zu helfen sei und ein Transport ihm Schaden zufüge. Alfie sei "austherapiert und im Krankenhaus am besten aufgehoben". Die Eltern mochten das nicht gelten lassen, sie klagten auf eine Weiterbehandlung, die ihnen in Italien chancenreicher zu sein schien. Ihre Klage, die zuletzt beim Obersten Gericht des Königreichs landete, wurde jedoch abgewiesen; das Gericht verfügte den Abbruch der weiteren Behandlung.

Die Eltern schöpften jedoch neue Hoffnung, als Alfie nach dem Abschalten des Sauerstoffgerätes eigenständig zu atmen begann. Damit wuchs auch der Druck auf die behandelnden Ärzte und die Gerichte, weil in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand, das Kind sei zu retten und Mediziner wie Juristen verweigerten der Familie jede lebensrettende Hilfe. Das Krankenhaus sah sich genötigt, eine Erklärung mit der dringenden Bitte herauszugeben, das Klinikpersonal nicht zu bedrohen und zu beschimpfen. Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken überstiegen in ihrer Brutalität alles, was man bisher erlebt habe.

Die Eltern wandten sich am Mittwoch gleichwohl noch einmal an ein Berufungsgericht, das aber erneut eine Verlegung Alfies nach Italien ablehnte. Vater Tom Evans sagte daraufhin, sein Kind werde vom Krankenhaus als "Geisel gehalten".

Danach entspann sich eine Debatte darüber, ob die Eltern das Kind zum Sterben nach Hause holen dürften, was das Krankenhaus mit der Begründung abgelehnt hatte, dass die Familie weder den Raum noch die Möglichkeiten hätte, das Kind angemessen zu versorgen. Alfies Ärzte plädierten vielmehr dafür, das sterbende Kleinkind in ein Hospiz zu verlegen.

Als Alfie zum Ende der Woche hin immer schwächer wurde, wechselten die Eltern ihre Tonlage und dankten dem Klinikpersonal öffentlich für sein Engagement. Sie wollten, betonten sie, jetzt gemeinsam mit den Ärzten eine Lösung für den knapp Zweijährigen finden. Alfie ist ihnen allen zuvorgekommen.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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