Griechenland:Aktiver Untergrund

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In der Nacht zum Freitag rollte ein Mini-Tsunami auf die griechische Insel Kos, zwei Menschen starben.

Von Marlene Weiss, München

In der Nacht zum Freitag hat ein Erdbeben der Stärke 6,7 vor der griechischen Insel Kos einen Mini-Tsunami von gut 70 Zentimeter Höhe ausgelöst. Zwei Menschen starben, als die Wand einer Bar in der Altstadt von Kos einstürzte, nach Behördenangaben handelte sich dabei um einen Türken und einen Schweden. Mehr als 120 Personen wurden verletzt, darunter viele Urlauber. Der Hafen von Kos sowie mehrere Häuser wurden beschädigt, die Feuerwehr rettete drei Verschüttete. Die türkischen Behörden schickten ein Schiff nach Kos, um die gut 200 dort gestrandeten türkischen Touristen in die Türkei zu bringen.

Fast ganz Griechenland ist mehr oder weniger erdbebengefährdet

Das Beben ereignete sich nach Angaben des US Geological Survey (USGS) um 1.30 Uhr Ortszeit in gut zehn Kilometern Tiefe, zehn Kilometer südöstlich der türkischen Stadt Bodrum und 16 Kilometer östlich von Kos. Bis zu 160 Nachbeben folgten. In der Türkei wurden etwa 70 Verletzte im Krankenhaus behandelt, Tote gab es dort nicht. Der Geologe Efthimios Lekka, der die griechische Erdbebenschutzbehörde leitet, warnte vor weiteren Nachbeben, die bis zu zwei Wochen lang auftreten könnten. Er sei aber deshalb nicht beunruhigt, sagte er dem Guardian. Die Nachbeben würden deutlich unter der Stärke fünf bleiben und die tektonische Spannung verringern.

Das Beben mag vergleichsweise stark gewesen sein, aber grundsätzlich gibt es solche Beben in der Ägäis häufig: Nirgendwo sonst in Europa ist der Untergrund aktiver. Erst im Juni hatte es etwas weiter nördlich ein Beben der Stärke 6,4 gegeben, dabei starb auf der Insel Lesbos eine Frau, Hunderte Häuser wurden zerstört, auf der Insel wurde der Notstand ausgerufen.

Ein bis zwei Beben der Stärke 6 und mehr pro Jahr sind in der Ägäis durchaus üblich. Grund für all die Erschütterungen ist das Chaos in der Erdkruste. Die dortige ägäische Platte ist sehr klein, und relativ schnell. Mit etwa drei Zentimetern im Jahr bewegt sich die ägäische gegen den Uhrzeigersinn auf die afrikanische Platte zu, die zugleich nach Norden drängt und unter der Ägäis abtaucht. Zusätzlich dazu zerrt die ägäische Platte an der anatolischen Platte unter der Türkei, mit der sie eng zusammenhängt. "An den Rändern der ägäischen Platte treten hohe Deformationsraten auf", sagt Torsten Dahm vom Geoforschungszentrum (Gfz) in Potsdam. "Das führt zu Dehnungsspannungen, und damit zu Erdbeben entlang der Schwächezonen."

Das aktuelle Beben ist in dieser Gemengelage entstanden. Einer genau abgegrenzten Plattenkante kann man es kaum zuordnen. Die ganze Region steht unter Zugspannung, auch dieses Beben war ein Dehnungsbeben. "In der Ostägäis sind die Plattengrenzen nicht scharf, sondern eher diffus", sagt Dahm. "Die Platten sind dort stark aufgebrochen, dadurch treten die Beben in einer breiteren Zone entlang der türkischen Küste auf." Hinzu kommt, dass die Erdkruste dünner ist als unter der Türkei. Das aktuelle Beben lag auch recht nah an der Oberfläche, zehn Kilometer sind nicht viel.

Fast ganz Griechenland ist mehr oder weniger erdbebengefährdet. Großstädte wie Athen liegen zwar nicht im ganz heiklen Gebiet, aber auch dort hat es schon heftige Beben gegeben. Selbst sehr starke Beben sind möglich: 1956 bebte die Erde zwischen den Inseln Amorgos und Santorini mit der Magnitude 7,8. Ein meterhoher Tsunami wurde ausgelöst, 53 Menschen starben.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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