Gesunkene Fähre vor Südkorea:Viele Leichen und ein großes Warum

Lesezeit: 2 min

Ein Angehöriger eines Passagiers der gesunkenen Fähre Sewol betet am Hafen Jindo, wo sich viele Trauernde versammeln. (Foto: AFP)

Mehr als 100 Menschen tot und fast keine Hoffnung mehr für die Vermissten: Zwar kennen die Behörden in Südkorea den Grund für den Untergang der "Sewol" noch nicht, aber fest steht, dass Kapitän und Besatzung schwere Fehler gemacht haben. Augenzeugen schildern Details der Rettung.

Der Name der Sewol, jenes koreanischen Schiffs, das vor einer Woche vor der Küste Südkoreas kenterte, wird sich ab sofort in einer traurigen Liste finden, in der auch die 1994 in der Ostsee gesunkene Estonia vorkommt, die 2008 in einem Taifun vor den Philippinen untergegangene Princess of the Stars oder die im Jahr 2012 vor Italien verunglückte Costa Concordia.

Es ist die Liste der schlimmsten Schiffsunglücke aller Zeiten.

Inzwischen sind aus dem Wrack der Sewol und dem Wasser etwa 110 Leichen geborgen worden. Die südkoreanische Fähre wird, genau wie die Costa Condordia übrigens, noch in einer anderen Liste auftauchen. Nämlich in der Liste jener Fälle, in denen die Kapitäne und die Besatzung schwere Fehler gemacht haben.

Denn auch, wenn die Ermittler in Südkorea noch nicht genau wissen, warum die mit 476 Menschen besetzte Fähre am vergangenen Mittwoch plötzlich in Schräglage geriet und innerhalb weniger Stunden kenterte, eines scheint bereits jetzt festzustehen: Die leitende Schiffsbesatzung hat schwere Fehler begangen und die Evakuierung unnötig verzögert.

Havarierte Fähre "Sewol"
:Mehr als 100 Tote geborgen

Nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre "Sewol" ist die Zahl der bislang geborgenen Todesopfer des Unglücks auf mehr als 100 gestiegen. Rettungskräfte suchen weiter nach Überlebenden - doch die Hoffnung schwindet.

Die Entwicklungen im Newsblog.

Insbesondere das Verhalten des Kapitäns, der als einer der ersten an Bord das Schiff verlassen und sich selbst gerettet hat, ist rätselhaft.

Am Dienstag wurde ein weiteres Besatzungsmitglied festgenommen, wie die Nachrichtenagentur Yonhap berichtete. Dabei handele es sich um einen Offizier, der am Montag einen Suizidversuch überlebt habe. Inzwischen sind acht Crewmitglieder in Polizeigewahrsam. Der Kapitän, die Dritte Offizierin, die zum Zeitpunkt der Havarie das Schiff steuerte, sowie der Steuermann sitzen schon seit Samstag in U-Haft. Ihnen droht unter anderem eine Anklage wegen Fahrlässigkeit und des Verstoßes gegen die Dienstpflichten. Südkoreas Präsidentin hat angesichts des Verhaltens des Kapitäns gar von "Mord" gesprochen.

Doch wie der britische Guardian berichtet, hat sich offenbar nicht die gesamte Crew fragwürdig verhalten. Ein Überlebender erzählte später, dass mehrere Besatzungsmitglieder zugunsten von Passagieren auf ihre Schwimmwesten verzichtet hätten und noch bis zur letzten Minuten versucht hätten, Eingeschlossene zu retten. Ein Steuermann und vier andere Crewmitglieder sollen Scheiben eingeschlagen haben, um Passagiere aus ihrer Kabine zu befreien.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Auto- und Personenfähre während einer Richtungsänderung kenterte. Anders als ursprünglich angenommen, habe es aber vermutlich keine scharfe Wende von mehr als 90 Grad gegeben, berichteten südkoreanische Sender unter Berufung auf das Ministerium für Meeresangelegenheiten. Anhand wiederhergestellter Daten zur Bestimmung der Schiffsposition sei festgestellt worden, dass das Schiff um 45 Grad nach rechts gesteuert worden sei. Dabei könnte es infolge verrutschter Ladung an Stabilität verloren haben.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Die Behörden beschäftigen sich jetzt vor allem mit der Frage, warum unmittelbar nach dem Kentern keine Evakuierungsanordnung erfolgte. Wie südkoreanische TV-Sender berichten, gibt es Aufzeichnungen, die zeigen, dass die Schiffsmannschaft die Evakuierung des untergehenden Schiffes um mindestens 30 Minuten hinausgezögert hat. 30 Minuten, die wahrscheinlich über Leben oder Tod von hunderten Menschen entschieden haben.

Inzwischen wird befürchtet, dass am Ende mehr als 300 tote Passagiere zu beklagen sein werden. Zu den 110 bereits geborgenen Leichen könnten noch die etwa 190 Menschen hinzukommen, die noch vermisst werden. Gerettet weden konnten nur 174 der insgesamt 476 Menschen an Bord. Die meisten von ihnen waren Schüler auf dem Weg zu einem Ausflug.

War die Suche anfangs von widrigem Wetter und starker Strömung erheblich erschwert, klarte sich der Himmel in den vergangenen Tagen auf. Bei ihren Vorstößen ins Innere des Wracks in bis zu 20 Metern Tiefe durchsuchen die Taucher unter anderem Kabinen und einen Speisesaal. Vermutlich wurden dort die meisten der Passagiere bei der Havarie eingeschlossen. Bei der Suche werden auch Tauchroboter eingesetzt.

Auch wenn einige der Angehörigen noch immer darauf hoffen: Anzeichen auf Überlebende gibt es nicht. Schon seit Tagen geht es nicht mehr ums Leben, sondern nur noch um das Bergen von Toten. Das Einzige, was die an der Suche beteiligten Bootsleute noch tun können, ist Fangnetze ins Meer zu lassen. Sie verhindern, dass Leichen von der Strömung mitgerissen werden.

© SZ.de/olkl/frdu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: