Gesundheit:Die Party ist vorbei

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In Frankreich gehört Rauchen zum Savoir-vivre. Nun sollen die Bürger zu Nichtrauchern umerzogen werden.

Von Max Sprick

Savoir-vivre, wie schön das schon klingt. Und was das für Assoziationen weckt: Rotwein, am besten aus Bordeaux, mittags das erste Glas. Crêpes. Galettes. Baguettes. All die feudalen Menüs, die in Frankreich nicht gegessen, sondern geschlemmt werden. Und danach eine Zigarette, die gehört einfach dazu. Coco Chanel, das war eine dieser Persönlichkeiten, die das französische Lebensgefühl des Savoir-vivre zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit viel Eleganz und Extravaganz verkörperten. Und: Sie kultivierte das Kettenrauchen. Vielleicht also ist Coco Chanel einer der Gründe dafür, warum sich so viele Franzosen auch heute noch gerne mal eine Kippe anstecken. In einer Zeit, in der Zigaretten wegen ihrer Schädlichkeit für Gesundheit und Raumklima bekämpft werden, mit Werbeverboten, Schockbildern, Raucher-Pavillons und gesellschaftlicher Ächtung. Unter den westeuropäischen Staaten nimmt Frankreich derzeit beim Tabakkonsum eine Spitzenposition ein: 34,5 Prozent der Erwachsenen rauchen, das sind fast zehn Prozentpunkte mehr als in Deutschland.

Das soll sich jetzt ändern, Zigaretten sollen teurer werden. Denn die französische Regierung will den Kampf gegen diese führende vermeidbare Todesursache verschärfen. Gesundheitsministerin Agnès Buzyn sagte schon während des Wahlkampfs: "Mein Ziel ist es, dass die Generation, die heute geboren wird, die erste Generation ohne Tabak wird." Dem Sender BFM-TV sagte Buzyn, es würden in Frankreich täglich 200 Menschen an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben. Und so verkündete Premierminister Édouard Philippe vergangene Woche in seiner Regierungserklärung, dass der Preis für eine Packung Zigaretten angehoben wird. Von derzeit sieben Euro auf zehn, spätestens bis 2022. "Eine so massive Erhöhung hat definitiv Auswirkungen auf den Tabakkonsum", sagt Jörg Pietsch, Leiter des Arbeitsstabs der Drogenbeauftragten der Bundesregierung am Telefon. Das zeige das Beispiel von Preiserhöhungen in Deutschland. Frankreichs früherer Präsident Jacques Chirac hatte bereits von 2003 an den Packungspreis um 1,40 Euro erhöht. Der durchschnittliche Tabakkonsum ging zwar in zwei Jahren von 4,6 auf 3,9 Zigaretten pro Raucher zurück - dafür kauften Franzosen vermehrt in Nachbarländern wie Deutschland oder Belgien, wo Zigaretten deutlich günstiger waren und sind. 26,8 Prozent der in Frankreich konsumierten Tabakwaren stammen laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG aus einem unkontrollierbaren "Parallelmarkt", schreibt der Tagesspiegel. Schon jetzt müssen die Packungen in Frankreich einheitlich aussehen: Marlboro, Gauloises oder Lucky Strike stecken alle in schlammfarbenen Farbton, der nicht so viel mit Savoir-vivre gemein hat. Coco Chanel hätte sich von alledem sicher nicht beeindrucken lassen. Dabei hat sie etwas hinterlassen, was ein wirksamerer Anti-Rauch-Slogan sein könnte als die ständige Betonung der Gefahren: "Eleganz", sagte Chanel, "Eleganz ist Verweigerung."

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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