Geisterschiff im Nordatlantik:Hilfe, die Ratten kommen!

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Britische Journalisten stricken derzeit eifrig Seemannsgarn. Ein verlassenes Schiff treibt angeblich auf die Küste zu. Die einzigen Bewohner: kannibalische Ratten, die eine schreckliche Epidemie auslösen könnten.

Kein neues Royal Baby, stattdessen trübes Januarwetter. In Großbritannien scheint gerade nicht besonders viel los zu sein, das die Herzen der Briten bewegt. Da kommen Gerüchte über ein Geisterschiff voller Ratten, das angeblich bald irisches Festland erreichen könnte, gerade recht.

Ein Jahr ist es mittlerweile her, dass das russische Kreuzfahrtschiff "Lyubov Orlova" vor der Küste Kanadas auf das offene Meer hinaus entschwand. Eigentlich sollte das einstige Passagierschiff damals zur Abwrackwerft geschleppt werden, doch bei starkem Sturm riss das Tau zum Schlepper und das Schiff driftete aufs offene Meer hinaus. Nachdem die "Lyubov Orlova" am 4. Februar 2013 mehr als 200 Kilometer vom Festland abgetrieben war, fühlten sich die Kanadier nicht mehr verantwortlich und überließen das Schiff sich selbst. Seitdem schippert die "Lyubov Orlova" als Geisterschiff über den Atlantik Richtung Europa. Vermutlich. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass der Ferienkreuzer längst auf dem Meeresgrund liegt.

Das letzte Signal des einst so stolzen Schiffes wurde am 23. Februar 2013 von einer Notfunkbake gesendet, die sich auf halber Strecke zwischen Kanada und Irland im Nordatlantik befand. Diese Baken senden ein Notrufsignal, sobald ein Schiff sinkt. Daraufhin hat die irische Küstenwache den Umkreis der angegebenen Position untersucht, konnte jedoch keine Spur von der "Lyubov Orlova" entdecken.

Trotzdem wird noch immer allerlei Seemansgarn um den Ferienkreuzer gesponnen. Es sei möglich, dass sich die Notfunkbake bloß auf einem sinkenden Rettungsboot befand und das Schiff selbst noch immer auf hoher See unterwegs sei. Der amerikanische Geheimdienst habe das führerlose Schiff 2400 Kilomester westlich von Irland ausmachen können, berichtete die kanadische Zeitung The Telegram Ende Februar vergangenen Jahres. Wenn das stimmt, müsste der Dampfer doch bald endlich britisches Festland erreichen, dachte sich offenbar ein Boulevardreporter und erkundigte sich bei der irischen Küstenwache. Chris Reynolds, Chef der Wache, hat ihn nicht enttäuscht. "In den letzten Monaten gab es zwar gewaltige Stürme, aber es braucht schon einen starken Orkan, um dieses große Schiff zum Sinken zu bringen", antwortete er. "Wir müssen wachsam sein." Daraufhin titelte die Boulevardzeitung The Sun:

"A GHOST ship laden with cannibal RATS is sailing for our shores, experts fear — as nobody knows where it is!"

Weitere britische Medien griffen die Geschichte auf, unter anderem auch die Tageszeitung The Independent.

Furchteinflößend müsste demzufolge vor allem die Besatzung des Schiffes sein. Hunderte, wenn nicht sogar tausende Ratten würden den Kreuzer mittlerweile bevölkern, heißt es. Sie hätten seit Monaten keine andere Nahrung mehr gefunden als ihre eigenen Artgenossen und könnten eine gefährliche Epidemie auslösen, vermuten Sun-Reporter.

Das Seemansgarn wird im Internet weitergesponnen. Auf einem eigenen Twitteraccount berichten die Ratten regelmäßig von ihrer großen Überfahrt.

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