Französisches Rezept:Heißt der Käse Camembert, ist Gefahr im Verzug

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Der Camembert als Massenware? Mon dieu! Französische Starköche sorgen sich um den Käse. (Foto: Charly Triballeau/AFP)

Die Franzosen streiten mal wieder darüber, was in den Käse gehört. Nächste Eskalationsstufe: Mehrere Spitzenköche protestieren in einem offenen Brief gegen den Niedergang einer ganzen Kultur.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Das Rezept ist die Seele unter den Gebrauchstexten und so verlaufen Diskussionen um Eingriffe in Nutella- oder Maggigewohnheiten in der Regel nicht leise. Geht es aber um Käse und kommt dieser aus Frankreich, kann es noch lauter werden. Heißt der Käse Camembert, ist Gefahr im Verzug. Der sogenannte Käsekrieg in der Herkunftsregion des Camembert, der Normandie, hat nun passend zur Weltlage eine neue Eskalationsstufe erreicht.

Spitzenköche protestieren in einem offenen Brief gegen den Niedergang einer ganzen Kultur

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Der Camembert werde seinen Charakter verlieren und zu einer "vulgären weichen Paste ohne Geschmack" verkommen, ist nun in der französischen Tageszeitung Libération zu lesen. Es handelt sich hier nicht um die Restaurantkritik eines Cholerikers, non non, französische Spitzenköche wie Sébastien Bras, Olivier Roellinger und Anne-Sophie Pic sowie Käseproduzenten und Winzer protestieren in einem offenen Brief gegen den Niedergang einer ganzen Kultur. Es ist ein Konflikt zwischen Tradition und Moderne, zwischen dem Wunsch nach heimeliger Regionalität und Industrieessen.

Im Februar hatte das Inao-Institut, das in Frankreich über die traditionelle Herstellung von Lebensmitteln wacht, entschieden, dass künftig auch Camembert aus pasteurisierter Milch (bisher stand auf den Holzpackungen lediglich "hergestellt in der Normandie") das geschützte Gütesiegel AOP (Appellation d'origine protégée) tragen darf - und nicht mehr wie bisher ausschließlich Weichkäse aus Rohmilch. Die industriellen Pasteurisierer verpflichten sich, mindestens 30 Prozent der Milch von normannischen Kühen zu verwenden.

In Frankreich ist Käse nicht einfach nur Käse. Man mag Baguette, Wein, Baskenmütze ja kaum bemühen, doch ist der Camembert nun mal vierter wie unerlässlicher Teil des Klischeekleeblatts.

Und so streiten Käseproduzenten (industrielle und handwerkliche) schon seit zehn Jahren um die Frage, welcher denn nun der wahre Camembert ist. Mit der Entscheidung im Februar sind Fakten geschaffen worden, das große Nebeneinander von Käsesorten ist vorbei. Zumindest fast. Handwerklich gefertigte Camemberts bekommen eine Art Zusatzsiegel, auf dem versichert wird, dass dieser "echt" ist.

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Offiziell sollte mit der Entscheidung ein Krieg beigelegt werden, was irgendwie nicht geklappt hat. Es handele sich um "eine Schande, einen Skandal, Hochstaplerei", heißt es in dem Pamphlet. Der Rohmilchkäse werde zum Luxus, der Normalverbraucher aber bekomme nur Industrie-Camembert. "Wir fordern das Recht auf gutes Essen in der ganzen Republik!" Präsident Emmanuel Macron wird ermahnt, etwas dagegen zu unternehmen. Zum Schluss noch eine kleine Reminiszenz an die Geschichte: "Liberté, égalité, camembert!"

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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