Flugzeugabsturz:"No comments"

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Am Mittwoch wurde in Haltern der beim Absturz getöteten Schüler und Lehrerinnen gedacht, vor der Schule wurden Kerzen aufgestellt. (Foto: Sascha Schuermann/AFP)

Lufthansa-Chef Spohr muss sich die Frage gefallen lassen, ob sein Konzern eine Mitschuld habe.

Von Christian Wernicke, Paris

Im Gleichschritt sind die zwei Männer im dunklen Anzug vor den Gedenkstein getreten. Sie haben sich niedergebeugt, um die Schleifen ihres Trauerkranzes zurechtzuzupfen. Nun halten sie inne, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen. Der kalte Wind zerzaust ihr Haar, lässt ihre Hosenbeine flattern. Dieser Moment, von über einem Dutzend Kameras verfolgt und in alle Welt gesendet, ist der Zweck ihrer Mission: Demut zeigen.

Ein Handy-Video der letzten Sekunden? Der Staatsanwalt hat da seine Zweifel

Es ist stets Carsten Spohr, der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, der Ton und Tempo des Duos vorgibt. Zwar weicht Thomas Winkelmann, Chef der LH-Tochter Germanwings, Spohr am Mittwochvormittag nie von der Seite, aber er schweigt. Spohr marschiert auch vorneweg, als Bernard Bartolini, Bürgermeister von Prads-Haute-Bléone, die beiden Manager einen Kiesweg entlangführt. Auf die Stunde genau acht Tage ist es da her, dass die A320 an einer Felswand zerschellt ist. An einer Wiese stehen Journalisten, sie strecken ihm Mikrofone entgegen. Spohr redet, doch will er auch etwas sagen?

Auf Englisch versichert der Lufthansa-Chef, wie sehr die Sicherheit der Fluggäste "immer Priorität" genossen habe. Spohr beteuert, er und Winkelmann und überhaupt jedermann seien "beeindruckt von der Professionalität, von der Energie, dem Mitgefühl und der Sympathie", mit der die Franzosen mit der Katastrophe umgegangen seien. Er verspricht, die Lufthansa werde da sein für die Hinterbliebenen ihrer Opfer: Nicht nur diese Woche, "sondern so lange es nötig ist". Das klingt nach: Ewigkeit. Spohr schüttelt sanft den Kopf, ehe er fortfährt: "We are very, very sorry."

Spohr holt Luft, in mehreren Sprachen rufen ihm die Journalisten aus Frankreich und Deutschland, Spanien und Amerika dieselbe Frage zu: die nach einer potenziellen Mitschuld des Konzerns. Spohr hört's - und wendet sich ab. "No comments", ruft ein Sprecher. Spohr geht.

Doch die Frage wird ihn verfolgen. Es geht um das Eingeständnis vom Abend zuvor, da hatte der Konzern zugeben müssen, dass die psychischen Probleme des Angestellten Andreas Lubitz doch kein Geheimnis waren. Sondern personalaktenkundig, seit 2009: Damals war der spätere Copilot des Germanwings-Fluges 4U 9525 noch Flugschüler. Zuvor hatte der Flugkonzern jede Kenntnis von seelischen Problemen seines Mitarbeiters bestritten. Am Abend dann war Spohr nach Auskunft des Sprechers bei der Trauerfeier für die beim Absturz ums Leben gekommenen 16 Schüler und zwei Lehrerinnen in Haltern. Es war eine stimmungsvolle Feier, der Andrang war so groß, dass zwei Polizisten an den schweren Holztüren den Einlass regelten. Wer nicht reinkam, verfolgte den Gottesdienst über Lautsprecher auf dem Vorplatz, trotz des starken Windes und des Regens. Drinnen lasen Mitschüler der Opfer Kondolenzbriefe vor, teils unter Tränen. Einer der Pfarrer sprach kritisch über die "Neugier der Medien, Spekulationen über Ursachen und Motive", und es stimmt schon: Die Frage, wer was dafür kann, ist in so einem Fall schwierig. Auch der Bürgermeister Bartolini hat Carsten Spohr oben in den Bergen nicht danach gefragt. Die Gespräche hätten sich "um das gedreht, was zu tun ist", sagt Bartolini. Die Schaffung einer Gedenkstätte, die Säuberung der Unglücksstelle. Geologen sollen den Boden prüfen, an manchen Stellen sei das Erdreich bis zu einer Tiefe von einem Meter mit Kerosin getränkt. Die Lufthansa habe Finanzhilfe zugesagt.

Die Bergungsarbeiten gehen schneller voran als erwartet. Die sterblichen Überreste der Opfer sind sichergestellt, seither suchen Helfer mit Stangen und Pickeln im Geröll: Die Habe der Passagiere, das Gepäck und der noch immer nicht gefundene Flugschreiber können sich beim Aufprall der Maschine tief in den Berg gerammt haben.

Und dann ist da noch das Handy: Irgendjemand hat im Schutt die Überreste eines Handys gefunden, oder die Chipkarte, die Fotos und Videos speichert, und der Presse zugespielt. Das behaupten Bild und Paris Match. Viel sei nicht zu erkennen auf dem Video, das angeblich die letzten Sekunden vor dem Absturz festhielt. Aber man höre Schreie, Entsetzen, in mehreren Sprachen: "Mein Gott!" Bild prahlt, der Fund sei "ein wichtiges Beweisstück". Brice Robin, der französische Staatsanwalt in Marseille, signalisiert allerdings Zweifel an der Existenz des Videos. Und betont: In jedem Fall gehöre dies nicht in die Finger der Medien, "sondern in die Hände der Ermittler".

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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