Evangelische Kirche:Gekommen, um zu bleiben

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  • Irmgard Schwaetzer, 73-jährige einstige Bundesbauministerin und FDP-Politikerin, ist erneut zum Präses der Synode der evangelischen Kirche ernannt worden.
  • Am Wochenende trifft sich die neue, zwölfte Synode zum ersten Mal.
  • In dem Kirchenparlament sind 40 Prozent der Synodalen neu, etwas mehr als die Hälfte Nichttheologen. Ein bürgerliches Gremium, aber nicht verknöchert.

Von Matthias Drobinski, München

Kirchenparlament - das Wort stimmt, sagt Irmgard Schwaetzer, und es trifft die Sache doch nicht ganz. Ein Parlament ist die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), weil alle sechs Jahre die Mitglieder aus den 20 Landeskirchen gewählt und dann weitere berufen werden - 100 Gewählte und 20 Berufene sind es diesmal. Die Synode beschließt Kirchengesetze und den EKD-Haushalt, sie wählt den Rat und den Ratsvorsitzenden. Doch Fraktionen gibt es in der Synode nicht, nur lockere Gesprächskreise der Linken, der Konservativen und derer in der Mitte; viele fühlen sich keiner Gruppe zugehörig. Es geht ja auch um mehr als um den politischen Kampf.

Zur Person

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(Foto: Imago/epd)

Irmgard Schwaetzer, 73, wurde am 10. November 2013 zur Präses der Synode der evangelischen Kirche gewählt. Zuvor war die Pharmazeutin Staatsministerin im Auswärtigen Amt sowie von 1991 bis 1994 Bundesbauministerin in Bonn.

Die Synode ist Ausdruck des Priestertums aller Gläubigen, sie ist Teil der Kirchenleitung und damit im Auftrag des Herrn unterwegs. "Das unterscheidet uns von anderen Parlamenten", sagt Irmgard Schwaetzer.

An diesem Wochenende trifft sich in Würzburg die neue, die zwölfte Synode erstmals. Am Samstag hat es einen neuen Chef gewählt, Präses genannt. Es ist wieder Irmgard Schwaetzer, die 73-jährige einstige Bundesbauministerin und FDP-Politikerin. Vor eineinhalb Jahren ist sie eingesprungen und hat dann die Sache gut gemacht, souverän, mit Humor. Warum sich dann ins Unbekannte wagen, werden sich die Synodalen gedacht haben.

Um Experimente zu mögen, hat das Kirchenparlament in den vergangenen sechs Jahren zu viel mitgemacht. 2009, als die Vorgängersynode sich erstmals traf, herrschte Aufbruchstimmung. Mit Katrin Göring-Eckardt kam eine aufstrebende Grüne ins Präses-Amt, ihr Stellvertreter wurde der ehemalige CSU-Ministerpräsident Günter Beckstein. An der Spitze der EKD stand Wolfgang Huber, als Nachfolgerin hielt sich Margot Käßmann bereit - das Personal der Kirche schien geeignet zu sein, die Stimme des Protestantismus weit in die Gesellschaft zu tragen.

Doch Huber ging in Pension und Margot Käßmann kam nach einem Fehltritt abhanden, Göring-Eckardt entschied sich für die Politik und trat als Präses zurück. Im November 2013 schließlich demontierte die Synode Günter Beckstein: Die Gruppen schienen sich auf ihn geeinigt zu haben, doch dann gab es auf einmal eine Gegenkandidatin. Beide gingen im Chaos einer Wahl unter und am Ende sprang Irmgard Schwaetzer ein. Die EKD jedenfalls hat in den vergangenen Jahren unter Nikolaus Schneider einige Energie auf die Sicherung des inneren Friedens verwenden müssen.

Heinrich Bedford-Strohm, dem bayrischen Landesbischof und seit einem halben Jahr Ratsvorsitzender der EKD, trauen nun viele zu, dass er seiner Kirche neue öffentliche Präsenz verschafft. Und das Kirchenparlament? Die Mischung wäre nicht schlecht: 40 Prozent der Synodalen sind neu, fast die Hälfte sind mittlerweile Frauen. Etwas mehr als die Hälfte sind Nichttheologen, darunter gestandene Politikerinnen und Politiker wie Katrin Göring-Eckardt (als einfaches Mitglied), die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe von der CDU und Gesche Joost (SPD), die sich für die Bundesregierung in Brüssel ehrenamtlich ums Digitale kümmert. Es ist ein recht bürgerliches Gremium; verknöchert aber wirkt die neue Vertretung des Gottesvolkes nicht.

Flüchtlinge, Armut, Kriege - und das Lutherjahr 2017

Insgesamt allerdings ist die Bedeutung des Kirchenparlaments zurückgegangen, sagen viele Beobachter - in der Öffentlichkeit stehen der Ratsvorsitzende und die Landesbischöfe, selten aber der Synodenpräses. Die Kontrollmöglichkeiten der ehrenamtlichen Parlamentarier sind begrenzt, und die einst legendäre Streitlust der Synodalen ist Geschichte. Die Flüchtlinge, die Armut, die Kriege, die Frage, mit wem die Europäische Union mit wem solidarisch sein soll - das werden wohl die politischen Themen der kommenden Jahre sein, sagt Schwaetzer. Innerkirchlich geht es vor allem um die Vorbereitung auf das Lutherjahr 2017, in dem die evangelische Kirche ein großes Christusfest feiern möchte; mit den Katholiken soll es einen "Healing of Memories"-Prozess geben, in dem beide Kirchen bekennen, was sie einander alles angetan haben.

Doch jetzt wird es außer den Wahlen vor allem ums Kennenlernen beim Frankenwein gehen. Paul Nolte, der Berliner Historiker und ebenfalls ein Synodaler, wird über die Veränderungen in der Gesellschaft referieren; es gibt einen Werkstattbericht über den Fortgang einer neuen Bibelübersetzung, die sich wieder stark an der Luther-Übersetzung orientiert. Und Heinrich Bedford-Strohm, der EKD-Ratsvorsitzende, wird seinen ersten Rechenschaftsbericht abgeben. Es soll um Flüchtlinge gehen, heißt es - und richtig grundsätzlich werden.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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