Erschossener Zwölfjähriger in den USA:Cop war für den Polizeidienst "untauglich"

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Demonstranten halten ein Schild mit dem Bild des getöteten Tamir Rice fest. (Foto: AP)
  • Der Polizist, der den zwölfjährigen Tamir Rice erschossen hat, wurde von seinem früheren Arbeitgeber für "untauglich für den Polizeidienst" befunden.
  • Im Training mit Schusswaffen sei Timothy L. "weinerlich" und "abgelenkt" gewesen.
  • Die Personalakte war L.s jetzigem Arbeitgeber offenbar nicht bekannt.

Ex-Arbeitgeber hielt L. für "weinerlich" und "abgelenkt"

Am 23. November erschießt der weiße Polizist Timothy L. in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio den zwölfjährigen Tamir Rice, der eine Softairwaffe bei sich hatte. Jetzt stellt sich heraus: Der 26-jährige Cop war schon vor etwa zwei Jahren als "untauglich" für den Polizeidienst befunden worden.

Damals war L. bei der Polizei in der Kleinstadt Independence in Ohio beschäftigt. In der Personalakte heißt es nach einem Bericht der Nachrichtenseite Cleveland.com, dass Timothy L. während des Trainings mit Schusswaffen "abgelenkt" und "weinerlich" gewesen sei. In dem Dokument, das von dem stellvertretenden Chef der Polizei in Independence, Jim Polak, verfasst worden ist, ist folgendes vermerkt: "Er konnte nicht mal einfachsten Anweisungen folgen, weder Gedanken noch Erinnerungen zusammenhängend formulieren. Seine Leistung bei Schießübungen war fürchterlich."

Sein ehemaliger Vorgesetzter Polak schrieb abschließend, dass er nicht glaube, dass "Zeit oder Training die Defizite L.s ändern oder verbessern würden", sein mentaler Zustand erlaube den Umgang mit schweren Schusswaffen nicht. Es wurde empfohlen, L. aus dem Dienst der Polizei in Independence abzuberufen, eine Woche später, am 3. Dezember 2012, kündigte er.

Im März dieses Jahres hatte L. dann jedoch bei der Polizei von Cleveland angefangen. Dort heißt es, dass man die Personalakte nie zu Gesicht bekommen habe. "Wir haben die Akte nie erhalten", sagte ein Sprecher der Polizei dem Guardian.

Video zeigt: Polizist schoss unmittelbar nach Eintreffen

Videoaufnahmen des Vorfalls am 23. November zeigen, dass der Officer innerhalb von wenigen Sekunden die Schüsse auf den schwarzen Jungen abgab. CNN und die New York Times berichten, die Zeitspanne zwischen der Ankunft der Polizisten und den Schüssen betrage gerade einmal zwei Sekunden.

Auf den Bildern von einer Überwachungskamera ist der zwölfjährige Tamir Rice zu sehen, wie er auf einem Gehweg läuft und mit der Waffenattrappe spielt. An einer Stelle zielt Rice auf jemanden, dann setzt er sich in einen kleinen Pavillon. Sekunden später kommt ein Polizeiwagen angerast und stoppt direkt neben dem Pavillon. Zwei Beamte steigen aus, während sich Rice dem Fahrzeug nähert und offenbar an seinem Gürtel herumspielt. Einer der Polizisten, der 26-jährige Cop Timothy L., schießt dann unmittelbar nach dem Verlassen des Autos auf den schwarzen Jungen.

US-Justizministerium prangert Polizeigewalt in Cleveland an

Die vor 18 Monaten eingeleitete Untersuchung des US-Justizministeriums steht zwar nicht in direktem Zusammenhang mit dem Schicksal des zwölfjährigen Tamir Rice. Allerdings bestätigen die tödlichen Schüsse auf den Jungen, welche Probleme es in der Stadt am Erie-See gibt. Die Großstadt im Bundesstaat Ohio verpflichtete sich zu Reformen, die von einem unabhängigen Experten überwacht werden sollen.

Für die Missstände in Cleveland machte Holder schlechte Ausbildung und Ausrüstung, mangelhafte Richtlinien sowie ein unzureichendes Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung verantwortlich. Das Justizministerium führt in der Untersuchung auf, dass Polizisten immer wieder Schusswaffen, Pfefferspray, Elektroschockpistolen und ihre Fäuste unangemessen eingesetzt hätten. Die Gewalt habe sich auch gegen psychisch Kranke und andere hilfsbedürftige Menschen gerichtet. Das Untersuchungsergebnis aus Cleveland dürfte die landesweite Debatte über Polizeigewalt vor allem gegen die schwarze Bevölkerung weiter anheizen.

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