Entführung aus Jugendherberge:Einbruch ins Kinderzimmer

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Der Mann, der einen Zehnjährigen aus einer Jugendherberge in Rheine verschleppt hat, versuchte womöglich bereits im April, ein Kind aus der elterlichen Wohnung zu entführen.

Der Fall der Entführung eines Kindes aus eines Jugendherberge in Rheine zieht immer weitere Kreise. Der Mann, der einen Zehnjährigen nachts aus der Jugendherberge trug und dann belästigte, hat womöglich auch ein anderes Kind aus der nordrhein-westfälischen Stadt nachts in seine Gewalt bringen wollen.

Aus dieser Jugendherberge in Rheine hat der Mann den Jungen verschleppt. In einem Park musste der Zehnjährige seine Hose ausziehen, konnte dann aber flüchten. (Foto: Foto: dpa)

Bereits Ende April sei ein Unbekannter nachts in eine Wohnung eingebrochen, habe sich an das Bett eines Zehnjährigen gesetzt und ihn an Bauch und Beine gefasst, sagte die Staatsanwaltschaft Münster am Freitag.

Der Mann sei durch Schreie in die Flucht geschlagen worden. "Wir können noch nicht sagen, ob ein Zusammenhang besteht", sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer.

Der aktuelle Fall hatte sich am vergangene Wochenende ereignet. Ein zehnjähriger Junge war von einem mutmaßlichen Kinderschänder aus einer Jugendherberge in Rheine entführt worden. Der Täter trug den schlaftrunkenen Jungen aus seinem Zimmer ins Freie und brachte ihn dann in einen nahe gelegenen Park. Laut Staatsanwaltschaft Münster forderte der Mann den Zehnjährigen auf, sich auszuziehen. Dem Jungen gelang jedoch die Flucht, der Mann habe sich offensichtlich nicht an ihm vergangen.

Eindringling mit Schraubenzieher

Im jetzt veröffentlichten Fall vom April hatte der Junge im selben Zimmer wie seine Schwester geschlafen. Der Eindringling hatte einen Schraubenzieher bei sich, mit dem er die Türkette der Wohnung beseitigte. "Er sagte, es passiere nichts, wenn ich mitginge", erinnerte sich der Junge in Zeitungsinterviews an das Horror-Erlebnis vor gut zwei Monaten. Als das Kind vor Schreck weinte, wachte seine Schwester auf und vertrieb den Mann.

Die Polizei sei damals davon ausgegangen, dass der Unbekannte ein Verehrer der 19 Jahre alten Schwester gewesen sei. "Aus damaliger Sicht war das durchaus verständlich", sagte Schweer. Nun werde die Türkette, die nicht wieder zum Einsatz gekommen sei, auf Spuren untersucht.

Bei beiden Taten ziehen die Ermittler Parallelen zum Fall Dennis, der im September 2001 aus einem Schullandheim entführt und getötet worden war. "Der Fall in Rheine interessiert uns sehr", sagt Jürgen Menzel, Sprecher der Polizeidirektion im niedersächsischen Verden, bei der die Sonderkommission Dennis angesiedelt ist. Die Beamten wollen nun klären, ob die Tat in Rheine zu einer Serie von Verbrechen gehören könnte, der auch der neunjährige Dennis zum Opfer fiel. Die Suche nach dessen Mörder hat nie aufgehört seit jenem Tag, an dem Dennis' Leiche gefunden wurde. "Wir hoffen immer auf neue Hinweise", sagt Polizeisprecher Menzel.

"Die Tatbegehung weist Parallelen auf", sagt auch Wolfgang Schweer aus Münster. Inzwischen haben die Beamten beider Regionen ihre Informationen ausgetauscht.

Dennis lag nicht mehr in seinem Bett

Dennis Klein war in der Nacht zum 5. September 2001 aus einem Schullandheim in Wulsbüttel im Landkreis Cuxhaven verschwunden. Der Viertklässler aus Osterholz-Scharmbeck lag morgens einfach nicht mehr in seinem Bett. Die Polizei suchte zunächst verhalten, dann öffentlich nach dem blonden Jungen. Am Nachmittag des 19. September 2001 entdeckte ein Pilzsammler zwischen Kirchtimke und Herpstedt, auf dem niedersächsischen Land, die Leiche des Kindes von Dennis Klein. Das Kind war aus dem Schullandheim entführt und erstickt worden.

Insgesamt gibt es 43 Taten im Nordwesten Deutschlands, die die Polizei mit dem Mörder von Dennis in Verbindung bringt. Die Beamten unterteilen die Verbrechen grob in drei Serien: eine Schullandheimserie mit zwölf Taten zwischen 1992 und 1999; eine Reihe von Missbrauchsdelikten, bei denen der Täter in Bremer Einfamilienhäuser eindrang (1994/95); und fünf ähnliche Fälle, die sich zwischen 1992 und 1995 in Zeltlagern zutrugen. Neben dem Fall Dennis gehören drei weitere Morde an Jungen zu den Tatblöcken.

Gesucht wird im Fall Dennis ein großer Mann zwischen 30 und 50 Jahren, der sich im Norden auskennt, Hochdeutsch spricht, mobil ist und mit Kindern umgehen kann. Bei seinen Taten war er maskiert, trug teilweise Lederkleidung, einen Mundschutz oder eine Wollmütze mit Löchern.

© sueddeutsche.de/dpa/SZ/ojo/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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