Dominique Strauss-Kahn:Willkommen an der Heimatfront

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Er kam, lächelte und schwieg: Dominique Strauss-Kahn ist zurück in Paris. Schweigen, immer nur Schweigen, dieser Regel ist der 62-Jährige in den vergangenen dreieinhalb Monaten in den USA gefolgt. In der Heimat wird er diese Strategie nicht lange durchhalten können, denn die Franzosen erwarten Antworten auf zwei Fragen.

Stefan Ulrich, Paris

Sie haben lange gewartet, die Freunde Dominique Strauss-Kahns, seine Anhänger und all die Journalisten. Nun muss es jeden Augenblick so weit sein. In der Ankunftshalle von Terminal 2E des Pariser Großflughafens Charles de Gaulle sind die Objektive Dutzender Kameras auf die Türen gerichtet, durch die er gleich kommen soll. Es wird spekuliert darüber, welchen Flug er genommen haben könnte über den Atlantik, und ob er sich wirklich der Journaille stellen mag - oder einen Hinterausgang nimmt. Immerhin ist er ein Mann, der in den vergangenen dreieinhalb Monaten eine emotionale Achterbahnfahrt erleben musste, die seine Vertrauten als "Albtraum" bezeichnen.

Die zahlreichen Fotografen empfängt Dominique Strauss-Kahn bei seiner Rückkehr lächelnd: Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist wieder in der Heimat. (Foto: REUTERS)

Es ist 7.30 Uhr an diesem regnerischen Sonntagmorgen. Die Türen öffnen sich. Ein dezent fülliger Herr mit weißen Haaren und breitem Lächeln im gebräunten Gesicht kommt heraus, seinen Gepäckwagen vor sich herschiebend. Er trägt einen dunklen Anzug und ein Hemd mit offenem Kragen und wirkt wie ein wohlsituierter Pensionär, der aus dem Urlaub zurückkehrt. Hinter ihm geht eine Dame in Jeans, weißem T-Shirt und schwarzem Sakko. Sie lächelt ebenfalls. Ein Tohuwabohu bricht aus. Blitzlichter. Rufe. "Bon Courage! - Viel Glück!" Polizisten eskortieren das Paar. Dominique Strauss- Kahn ist wieder in der Heimat.

Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und seine Frau Anne Sinclair steigen in einen schwarzen Peugeot, immer noch lächelnd und schweigend. Polizisten und Reporter auf Motorrädern folgen der Limousine wie ein durstiger Mückenschwarm.

8 Uhr 21: Der Tross erreicht die Place des Vosges mit ihren Brunnen und Arkaden, eine der feinsten Adressen der Stadt. Natürlich haben die Strauss-Kahns eine Wohnung hier, das wissen alle. Der nächste Tumult. Das Paar bahnt sich einen Weg durch die Menge, tritt in den Innenhof seines Palais. DSK deutet mit dem Zeigefinger spitzbübisch lachend in eine Kamera. Anne Sinclair winkt vergnügt. Dann verschwinden beide im Haus. Ein Reporter spricht enttäuscht in sein Mikro: "Schweigen. Schweigen. Schweigen."

Es ist dies eine Strategie, die Strauss-Kahn seit seiner Festnahme am 14. Mai in New York verfolgt. Still hat er die Prozeduren vor der US-Justiz und die Flut der Medienberichte über seine angebliche Vergewaltigung eines Zimmermädchens über sich ergehen lassen. Stumm hat er die Untersuchungshaft auf der Gefängnisinsel Rikers Island ertragen und den Hausarrest in Manhattan. Nun wird er nicht mehr lange schweigen können. Die Franzosen erwarten Antworten auf zwei Fragen von DSK: Was ist passiert zwischen ihm und dem Zimmermädchen in Suite 2806 des New Yorker Sofitel-Hotels? Und welche Rolle will er künftig in Frankreich spielen?

Strauss-Kahn war lange der Star der Sozialisten und ihr Kreuz-Bube im Präsidentschafts-Skat gegen Nicolas Sarkozy. Nun ist er zur Belastung geworden. Etliche Partei-Granden rückten so hastig von ihm ab, als habe er Aussatz. Die Franzosen lassen in Umfragen wissen, dass sie DSK keine bedeutende Rolle mehr in der Politik wünschen.

Zudem wartet auf den 62 Jahre alten Bonvivant weiterer Ärger. Zwar hat die Staatsanwaltschaft in New York das Vergewaltigungsverfahren gegen ihn eingestellt. Das Zimmermädchen dürfte nun aber einen Zivilprozess durchfechten, für den weniger strenge Beweisregeln gelten. In Frankreich hat zudem die junge Schriftstellerin Tristane Banon Strauss-Kahn angezeigt. Er soll 2003 versucht haben, sie zu vergewaltigen. Auch will der Anwalt Banons eine ehemalige Mitarbeiterin des Weltwährungsfonds anhören lassen, mit der Strauss-Kahn als IWF-Chef ein Verhältnis hatte.

Strauss-Kahn habe es an Respekt gegenüber Frauen mangeln lassen und das Ansehen Frankreichs beschädigt, bringt das Wochenmagazin L'Express die Einschätzung vieler Bürger auf den Punkt. Zudem muss der Heimkehrer auf Schritt und Tritt mit spöttischen Bemerkungen rechnen. Eine Autovermietung wirbt mit einem Plakat, das ein Dutzend jubelnder Stewardessen zeigt. Darunter steht: "Lieber DSK, mieten Sie bei Ihrer Ankunft auf dem Flughafen ein Fahrzeug von Sixt." In Paris hieß es am Sonntag, Strauss-Kahn werde sich sehr bald in einem großen Fernsehinterview erklären. Der Rest war erst mal Schweigen.

© SZ vom 05.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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