Debatte um Handschlag:"Wo der private Glaube aufhört und der politische Islam anfängt"

Lesezeit: 1 min

Saïda Keller-Messahli, 58, stammt aus Tunesien und lebt seit Jahrzehnten in der Schweiz, wo sie 2004 das Forum für einen fortschrittlichen Islam gründete. Heute ist sie eine der prominentesten Vertreterinnen eines moderaten Islam. (Foto: OH)

Die Schweiz debattiert über zwei muslimische Schüler, die einer Lehrerin nicht die Hand geben wollen. Die Präsidentin des "Forums für einen fortschrittlichen Islam" glaubt, dass Salafisten die Jugendlichen für ihre Zwecke missbrauchen.

Von Charlotte Theile, Zürich

Wenn sich Saïda Keller-Messahli zu Wort meldet, gibt es nicht wenige, die genervt die Augen verdrehen. Wann immer in der Schweiz über Islam und Islamismus diskutiert wird, ist die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam dabei. Fast im Stundentakt postet sie auf Facebook Artikel, hält Vorträge, gibt Interviews. Der Kampf gegen den Fundamentalismus ist ihr Lebensthema geworden.

Der Grund dafür? Die 58-jährige Literatur- und Filmwissenschaftlerin stammt aus Tunesien. Der Islam, den sie dort als Kind kennengelernt hat, wird immer mehr von Strömungen überlagert, die für sie nichts mit dem Koran zu tun haben. Ihre Großmutter und ihre Mutter, beides fromme tunesische Musliminnen, trugen kein Kopftuch. Und natürlich gaben sie Männern die Hand.

Das Thema Handschlag hat in der Schweiz in der vergangenen Woche eine Debatte losgetreten. Saïda Keller-Messahli diskutiert mit. Aber nicht nur das. Sie recherchiert, wer hinter den beiden Brüdern aus dem Basler Land steht, sie schaut sich die Facebook-Profile der Exponenten des Islamischen Zentralrat Schweiz (IZRS) an - und zieht Schlüsse, die in dieser Deutlichkeit sonst niemand zieht: Der Vater der beiden Schüler bei Basel sei ein Imam mit direkten Verbindungen nach Saudi-Arabien, die Kinder würden vorgeschoben, um die politischen Forderungen der Islamischen Weltliga in die Schweiz zu tragen. Und der IZRS? Ist für sie eine Ansammlung salafistischer Konvertiten, die sich bewusst auf solche Fälle stürzen, um Präzedenzfälle zu schaffen und Kinder schon in jungen Jahren zu politisieren.

Die SZ traf Saïda Keller-Messahli vor einigen Tagen in einem Zürcher Hotel zum Interview. Darin spricht sie auch über das Kopftuch, das für sie Symbol einer "pathologischen Sicht auf die Frau" sei - und die gemäßigten muslimischen Dachverbände. Diese müssten endlich Stellung gegen den politischen Islam beziehen. Sonst sei es für die Menschen in Europa schwierig "zu verstehen, wo der private Glaube aufhört und wo der politische Islam anfängt".

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusHandschlag-Debatte in der Schweiz
:"Pathologische Sicht auf die Frau"

Dürfen sich Menschen unterschiedlichen Geschlechts die Hand geben? Darüber streitet die Schweiz heftig. Gut so, findet die Islamismus-Kritikerin Saïda Keller-Messahli: Radikalen Muslimen sollte man nie nachgeben.

Interview von Charlotte Theile

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: