Comeback des Stierkampfs in Spanien:Einäugig und besessen

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In den vergangenen Jahren waren die Anhänger des Stierkampfs in die Defensive geraten. Seit die Konservativen in Spanien an der Macht sind, scheint ein Comeback dieser archaischen Tradition nicht mehr fern: Die Regierung will den Stierkampf als Teil der "Marke Spanien" und "schützenswertes Kulturgut" erhalten.

Javier Cáceres

Der Seidenanzug, den er bei seiner Rückkehr in die Arena tragen will, sei in Gold und Grün gehalten, sagt der Matador Juan José Padilla. Grün wie die Hoffnung, fügt er hinzu. Und natürlich wird er auch die schwarze Klappe tragen, die seit Oktober vergangenen Jahres seine linke Augenhöhle verdeckt. Das Auge selbst verlor Padilla, als ein Stier ihn in der Arena in Saragossa auf die Hörner nahm. Der Torero war gestolpert, die aufwühlenden Bilder gingen um die Welt. "Der Stier hat mein Auge versenkt", sagt Padilla. "Aber nicht meinen Willen."

Der Ruf des glamourösen Torero hat gelitten: In den vergangenen Jahren wurden die Corridas zunehmend als Tierquälerei abgelehnt. (Foto: dpa)

Sätze wie diese sind nach dem Geschmack der "aficionados", der fanatischen Anhänger des Stierkampfes, die in dem Einäugigen tatsächlich so etwas wie einen König sehen. Padillas sagenhafte Rückkehr nach bloß fünfmonatiger Auszeit markiert auch das Comeback archaischer Traditionen. In den vergangenen Jahren waren die Anhänger des Stierkampfs in Spanien in die Defensive geraten. Die Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero hatte sich zwar nicht explizit gegen die sogenannte Tauromachie gestellt. Aber deren Gegner hatte er gewähren und Terrain gewinnen lassen. Im nordostspanischen Katalonien wurde der Stierkampf gleich ganz verboten. Das passte zu einem modernistischen Zeitgeist, der sich nun, in Krisenzeiten, allerdings verflüchtigt.

Seit November sind in Spanien die Konservativen am Ruder, und für die ist der Stierkampf alles andere als ein rotes Tuch. Im Gegenteil: Der Stierkampf sei Teil der "Marke Spanien" und ein "schützenswertes Kulturgut", sagte unlängst Kultusminister José Ignacio Wert. Das soll Folgen haben, unter anderem soll es im staatlichen Fernsehen wieder Übertragungen von Stierkämpfen geben, die 2006 abgesetzt worden waren. Weil die Corridas am Nachmittag stattfinden, regen sich manche nun darüber auf, dass dann auch Kinder wieder live und in Farbe sehen können, wenn ein Torero wie Padilla sich die Hände vor das blutüberströmte Gesicht hält und schreit "ich sehe nichts, ich sehe nichts!"

Andererseits ersetzen die Stierkämpfe im Programm nur TV-Müll ohne jeden kulturellen Anspruch. Im Übrigen werden besorgte Eltern in Zeiten des Sparens beim Stierkampf endlich wieder die in Zeiten des Immobilienbooms fast in Vergessenheit geratene Torero-Weisheit auspacken können, dass die Hornstöße des Hungers die heftigsten sind.

Hornstöße hatte Torero Padilla schon lange vor dem Verlust des linken Auges erlitten, fast 40 an der Zahl. Allerdings, so sagt er selbst, seien Herz und Nieren geprüft und für gesund befunden worden. Andernfalls hätte er eine Rückkehr in die Arena nicht gewagt. Die größte Schwierigkeit dürfte bleiben, den Todesstoß auszuführen. Immerhin muss man den Nacken des Stiers mit dem Degen sehr genau treffen, und so ein Ungetüm ist in etwa halb so schwer wie ein alter VW-Bus, dafür aber doppelt so schnell.

Padilla ist guter Dinge, da es aus der Geschichte Beispiele von Stierkämpfern gibt, die mit einem Auge in den Kampf zurückkehrten. Luis de Pauloba etwa, dem ein Stier das Horn durchs Kinn gestoßen hatte. Der Torero hatte dann das Pech, dass der Arzt bei der Operation so unglücklich abrutschte, dass der Patient ein Auge verlor. Oder Lucio Sandín, der ebenfalls auf die Hörner genommen wurde und nach nur ein paar Monaten der Rekonvaleszenz wieder in der Arena aufmarschierte. Erst ein Autounfall zwang ihn, seine Karriere zu beenden, für sein Auskommen ist aber gesorgt. Er ist nun Optiker in Barcelona.

© SZ vom 03.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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