Brettspiele:Steinzeit für Anfänger

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Wie wurden die ersten Menschen sesshaft? Das spielen Kinder im "Stone Age Junior" nach. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Eine Jury kürt "Stone Age Junior" zum Kinderspiel des Jahres 2016. Aber sind Brettspiele an sich nicht schon steinzeitlich? Ach was, Zerstreuung mit Würfeln und Karten spielt trotz digitalisierter Kindheit eine wichtige Rolle.

Von Titus Arnu

In der Steinzeit war der Alltag wohl auch nicht so lustig. Keulen schnitzen, Mammuts jagen, Holz hacken, Beeren sammeln, stundenlang mit Feuersteinen rumklopfen - und kein Internetanschluss weit und breit. Flachbildschirme, Fernbedienungen und Fußballturniere waren noch lange nicht erfunden, ebenso wenig wie Getränkedosen und salzige Snacks. Für etwas Spannung sorgten Höhlenbären und Säbelzahntiger, für die der Mensch wiederum so etwas Ähnliches war wie salziger Snack und Getränkedose in einem.

Wie macht man aus so einem Horrorszenario ein kindergerechtes, unterhaltsames Spiel? Marco Teubner lässt beim Brettspiel "Stone Age Junior" Kinder ab fünf Jahren nachspielen, wie die ersten Menschen sesshaft wurden. Der Ablauf ist relativ simpel: Die Spieler wählen eine der verdeckten "Bewegungsscheiben" und ziehen ihre Figur dorthin. Auf dem Feld, das sie erreichen, bekommen sie Waren. Diese können im Dorf abgegeben werden, um Hütten zu errichten. Säbelzahntiger, fiese Krankheiten und Naturkatastrophen existieren nicht in dem Spiel. Steinzeit für Anfänger - für diese Spielidee und die altersgerechte Umsetzung wurde "Stone Age Junior" gerade in Hamburg als "Kinderspiel des Jahres 2016" ausgezeichnet. Verliehen wird der Preis von einem Verein, der seit 1978 das "Spiel des Jahres" wählt. Die Jury hatte knapp 150 Neuerscheinungen unter die Lupe genommen und die nominierten Titel mit Kindern in Familien, Kindertagesstätten und Schulen gespielt.

Schön, aber sind Brettspiele an sich nicht steinzeitlich? In zwei von drei Haushalten steht mittlerweile eine Spielekonsole, mehr als jedes dritte Kind zockt Online-Spiele, wie die "Kids Verbraucher Analyse 2015" von Egmont Ehapa Media ergab. Das klassische Brettspiel hat trotzdem nicht ausgedient: 62 Prozent der 10- bis 13-Jährigen haben laut der Freizeit-Studie mindestens einmal pro Woche Brett- und Kartenspiele in der Hand. Kinder wünschen sich offenbar trotz elektronischer Rundum-Versorgung etwas zum Anfassen. Zeitschriften mit kleinen Säugetieren als Helden (sprechende Enten, Besserwisser-Mäuse) sind ebenso wichtig wie Puzzles, Kuscheltiere und Gesellschaftsspiele.

Steinzeit-Kinder hatten wahrscheinlich analoge Kieselsteine zum Spielen, heutzutage erreichen Kinder schon mit zehn Jahren das, was Marktforscher "digitale Volljährigkeit" nennen. 97 Prozent der Zehn- bis 13-Jährigen nutzen einer Studie zufolge das Internet, 56 Prozent von ihnen täglich. Und meistens sitzen sie dabei alleine vor einem Bildschirm. Gerade deshalb haben Brettspiele eine große Bedeutung für Kinder - denn es ist etwas anderes, alleine auf einem Tablet oder einem Smartphone herumzuwischen, als mit echten Menschen zusammen ein analoges Spiel zu machen. Denn dabei muss man nicht nur einen Sinn für Strategie entwickeln, sondern auch halbwegs sozialkompatibel sein.

Wie man so etwas in Brettspiele verpackt, weiß der Kulturwissenschaftler Marco Teubner ziemlich gut. Er arbeitet seit 15 Jahren als freischaffender Spieleautor, er hat mehr als 50 Spiele veröffentlicht. Bei "Stone Age Junior" gehe es um "Rohstoffmanagement, den cleveren Einsatz von Figuren auf Aktionsfeldern und Aufbaustrategie", wie die Jury schreibt. Normalerweise sind das gar keine Themen für Kinderspiele, eher für Online-Strategiespiele. Doch Teubner gelinge es, ein "altersgerechtes Steinzeitabenteuer" anzubieten: "So spielt das moderne Steinzeitkind gerne." Wahrscheinlich war die Steinzeit in echt aber viel langweiliger.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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