Brandstiftung in der Hauptstadt:Berlin brennt

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Hauptstadt der Brandstifter: Immer wieder gehen in Berlin Nobelkarossen in Flammen auf. Und die Ordnungshüter? Die raten zur Garage.

A.-K. Eckardt u. V. Bernau

Berlins Politiker waren über diesen Satz entsetzt, viele Autobesitzer erbost. Dabei hatte Peter-Michael Haeberer, Chef des Berliner Landeskriminalamts, nur einen anschaulichen Vergleich liefern wollen: "Würde ich meiner Frau einen Brillantring kaufen, und sie würde ihn unter einer Laterne liegen lassen, würde ich mich auch wundern", sagte der 64-Jährige im Innenausschuss bei einem Vortrag über Linksextremismus und politisch motivierte Brandanschläge auf Luxusautos. Ist also jeder, der nachts seinen Mercedes in Berlin am Straßenrand parkt, einfach nur leichtsinnig?

Einst Nobelkarosse, nun Schrott: Mehr als 150 Autos wurden seit Jahresbeginn in Berlin angezündet. Die Polizei sieht vor allem Linksautonome hinter den zunehmenden Anschlägen. (Foto: Foto: dpa)

Die Empörung um das Zitat von vergangener Woche ist kaum verflogen, da müssen die Ermittler in ihrer ohnehin beachtlichen Statistik schon wieder sechs neue Autobrände verzeichnen. In der Nacht zum Dienstag standen Fahrzeuge in Kreuzberg in Flammen. Insgesamt haben damit mehr als 150 Wagen seit Jahresbeginn gebrannt. Bei einem Fünftel der Fälle gab es Bekennerschreiben aus der linksautonomen Szene. Der Staatsschutz hat zusätzliche Fahnder eingesetzt. Doch aufgeklärt wurden nur die wenigsten Fälle. Auch eine Prämie von 10000 Euro, die Polizeipräsident Dieter Glietsch im April für hilfreiche Hinweise in Aussicht stellte, änderte nichts daran. Die kriminelle Energie der Brandstifter scheint alle zu überfordern.

Zwar gehen auch in anderen deutschen Großstädten immer mal wieder Autos in Flammen auf, doch Berlin ist die Hauptstadt der Brandstifter. Das hat nach Erkenntnissen von Ermittlern vor allem zwei Gründe: Zum einen ist hier die linksautonome Szene besonders stark. Zum anderen fühlt sie sich in Berlin besonders stark provoziert. Stadtviertel wie Prenzlauer Berg, wo die Feuerwehr im April binnen einer Stunde gleich zwei Mal zu einem brennenden Mercedes ausrücken musste, haben sich stark gewandelt.

Mit den Sanierungen haben sich die Mieten in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, hinter den neuen Fassaden entstanden hippe Bars und Kunstgalerien. Was die einen als Aufwertung der Gegend verstehen, empfinden andere als schleichenden Sozialdarwinismus. Im Szene-Kiez trägt man dezente Pastelltöne, nippt an der Litschi-Bionade und fährt irgendwann einen Porsche Cayenne. So sehen Kritiker den sich wandelnden Bezirk - und manche von ihnen üben Vergeltung mit dem Brandsatz. Autos sind für sie das Symbol schlechthin für all den Schickimicki, die perfekte Angriffsfläche für ihren Protest. Kein Wunder also, dass vor allem teure Modelle brennen: Porsche, BMW, Mercedes. Doch es traf auch schon Transporter von Paketzustellern - eben alles, was irgendwie mit Globalisierung zu tun hat.

Besonders gefährdet sind Nobelkarossen in den Altbauvierteln von Prenzlauer Berg, Mitte, Friedrichshain und Kreuzberg.Uwe Frers, der in Kreuzberg eine Internet-Firma betreibt, weist das auf seiner Internetseite www.brennende-autos.de exakt nach. Jeder Anschlagsort ist auf einer Karte verzeichnet. Im Osten verdichten sich die Markierungen. Auf der Seite findet sich auch eine Statistik der betroffenen Automarken. Ganz oben steht Mercedes mit 81 Einträgen.

Wie also seinen Mercedes schützen? "Ich rate meinen Kunden, alles, was teurer ist als ein Mittelklasse-Wagen, abends von der Straße zu nehmen", sagt Dietmar Stange. Sein Versicherungsbüro in Friedrichshain liegt direkt neben der bei Brandstiftern sehr beliebten Revaler Straße. Doch Tiefgaragenplätze sind in vielen Berliner Bezirken Mangelware. Manche Versicherer raten deshalb sogar schon zum billigen Zweitwagen. Und der die Provokation nicht scheuende LKA-Chef Peter-Michael Haeberer appelliert an die Autoindustrie: Sie habe es in der Vergangenheit versäumt, mehr feuerfeste Materialien zu entwickeln.

Bis dahin bleibt immerhin die Versicherung: Brandstiftung gilt nicht als Vandalismus, deshalb reicht eine einfache Teilkasko-Versicherung. Allerdings ist die für die Berliner besonders teuer: Einmal im Jahr prüfen die Versicherer, wie oft welche Schäden in einer Region vorkommen und richten ihren Tarif danach. Die Hauptstadt gehört mit einem Regionalindex von 121,4 Prozent bei der Teilkasko zu den Spitzenreitern.

Die sicherste aller Lösungen ist wahrscheinlich die "Carloggia". Das Luxus-Wohnprojekt steht da, wo man seine Luxus-Autos besonders gut schützen sollte: in Kreuzberg. Ein Aufzug transportiert das Auto samt Fahrer nach oben, direkt vor die bis zu 1,6 Millionen Euro teuren Wohnungen. Der Parkplatz liegt direkt neben dem Wohnzimmer. Einziger Nachteil: Nun ist das Auto zwar in Sicherheit, dafür wurde das Gebäude in letzter Zeit immer wieder mal mit Steinen und Farbbeuteln beworfen.

© SZ vom 16.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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