Brandenburg:Immer wieder straffällig

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Hätte die Tat von Jan G. in Müllrose verhindert werden können? Der polizeibekannte Straftäter hätte nach Meinung eines Gerichts offenbar längst in der Psychiatrie sein sollen. Stattdessen tötete er zwei Polizisten.

Von Verena Mayer, Berlin

Drei Menschen wurden getötet, eine Rentnerin und zwei Polizisten. Verantwortlich für ihren Tod ist Jan G., der im brandenburgischen Müllrose erst seine Großmutter nach einem Streit erstochen und dann auf der Flucht im Auto zwei Polizisten überfahren hatte, die an der Landstraße standen. Die Beamten, beide Familienväter, starben noch am Tatort, in Brandenburg war dies das schwerste Verbrechen gegen Polizisten seit der Wende. Der 24-Jährige ist seither in Haft und wartet auf seinen Prozess, er hat die Taten gestanden. Doch so schnell wird dieser Fall nicht zu den Akten gelegt werden können. Denn Jan G. war als psychisch kranker Wiederholungstäter mehrfach vorbestraft und hätte an jenem Februarnachmittag womöglich gar nicht auf freiem Fuß sein müssen.

Die Staatsanwaltschaft nannte ihn eine "erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit"

Wie es dazu kam, versucht am Donnerstag der Rechtsausschuss des Brandenburger Landtags aufzudröseln. Hätte die Tat verhindert werden können? Und welche Rolle spielte die Justiz? Klar ist, dass Jan G. den Behörden seit Jahren bekannt war. Jan G., der von einem Lebensgefährten seiner Mutter sexuell missbraucht worden war, fiel früh durch aggressives Verhalten auf, bereits als Zehnjähriger musste er länger in einer kinderpsychiatrischen Klinik behandelt werden. Danach kam er in ein Kinderheim, in dem er aber nicht bleiben durfte, nachdem er mehrere Einbrüche begangen hatte. Jan G. nahm Drogen, er galt als suizidgefährdet, seit 2013 war er zudem wegen Schizophrenie in Behandlung und sollte Medikamente nehmen, was er aber nicht tat. Und seit er 15 ist, wurde er immer wieder straffällig.

Zuletzt stand er im November wegen zwölf Taten in Frankfurt (Oder) vor Gericht. G. hatte Einbrüche und Ladendiebstähle begangen, er hatte Leute ausgeraubt und mehrmals seiner Mutter und Großmutter damit gedroht, sie umzubringen. Einen Zugführer in der Regionalbahn hatte er mit der Faust niedergeschlagen, einem Bekannten rammte er ein Messer in den Hals, was dieser nur durch eine Notoperation überlebte. Die Staatsanwaltschaft nannte G. eine "erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit" und beantragte die Unterbringung in der Psychiatrie. Dem schloss sich das Landgericht in seinem Urteil, das der SZ vorliegt, an, setzte die Unterbringung aber zur Bewährung aus. Denn ein Gutachter hatte den Mann als "einsichtsfähig" eingestuft und eine "gute therapeutische Beeinflussbarkeit" festgestellt.

G.s Familie, die sich immer wieder an die Behörden gewandt und erfolglos versucht hatte, Jan G. auf Eigeninitiative in der Psychiatrie unterbringen zu lassen, erhebt nun schwere Vorwürfe. Hätten alle Beteiligten die Warnungen ernst genommen, sagte der Anwalt der Familie, Peter-Michael Diestel, der Märkischen Oderzeitung, "dann wäre es nicht so weit gekommen". Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) bestreitet jedoch, dass die Behörden Fehler gemacht hätten. Die Hürden, um jemanden gegen seinen Willen in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen, seien sehr hoch und zuletzt vom Gesetzgeber noch einmal angehoben worden. Und so kam Jan G. frei und beging weitere Straftaten. Er fuhr ohne Führerschein und unter Drogeneinfluss bis nach Bayern, wo ihn ein Amtsgericht für einige Wochen in der Psychiatrie unterbrachte. Noch Mitte Februar wurde am Landgericht Frankfurt (Oder) darüber beraten, ob Jan G. nun nicht doch in eine Klinik eingewiesen werden solle. Doch die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bewährung hätten nicht vorgelegen, so das Landgericht.

Zwei Wochen später tötete Jan G. drei Menschen.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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