Bergsteiger-Unglück am Nanga Parbat:"Die Piloten sind keine Verrückten"

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Die Piloten setzen ihr Leben aufs Spiel, um andere zu retten: Hubschrauber-Fluglehrer Jan Veen über das Risiko eines Helikopter-Einsatzes am Nanga Parbat.

Karl Forster

Viele Fernsehzuschauer kennen den Hubschrauberpiloten Jan Veen aus der Sendung "Wettern dass...?". Dort wurde er Wettkönig, weil er es schaffte, mit dem Helikopter in vier Minuten vier Bierflaschen zu öffnen. Normalerweise arbeitet der 32-jährige Berufspilot (4000 Flugstunden) für die Firma Helitransair in Erlenbach bei Frankfurt als Prokurist und Ausbildungsleiter der Flugschule. Er ist auch Sachverständiger und Prüfer für das Luftfahrtbundesamt.

(Foto: Foto: Reuters)

Süddeutsche Zeitung: Zwei Bergsteiger hängen am Nanga Parbat in 7000 Meter Höhe fest. Gibt es Hubschrauber, die in solchen Höhen zur Rettung eingesetzt werden können?

Jan Veen: Ich fliege unter anderem auch Eurocopter. Der Typ AS 350 B3 ist die Maschine mit der höchsten Dienstgipfelhöhe (der mit Maximalgewicht maximal erreichbaren Höhe) von 17.000 Fuß, das sind knapp 6000 Meter. Das reicht nie für diese Höhe. Optimal vorbereitet, also total leergeräumt, ist diese Maschine vor ein paar Jahren auf dem Mount Everest gelandet. Das war und ist Weltrekord. Die normalen großen Rettungshubschrauber, die bei uns rumfliegen, haben eine weit geringere Maximalhöhe. Die würden nie so hoch kommen.

SZ: Wenn dann aber auf 7000 Metern Höhe zwei Menschen zugeladen werden, kann man dann noch starten?

Veen: Mit unseren normalen Maschinen ist das technisch nicht möglich. Die Pakistani aber fliegen mit russischen Hubschraubern, die wesentlich größer und stärker sind. Aber da sind ja dann noch die Witterungsbedingungen und die aerographischen Probleme, Schnee und Gletscher. Das ist der Wahnsinn.

SZ: Welche Wetterbedingungen müssten für eine Rettung herrschen?

Veen: Wenn sie es von der Density Altitude, also von der Luftdichte her schaffen, dürfen natürlich keine starken Winde wehen, auch muss die Sicht gut sein.

SZ: Können Sie das Problem der Luftdichte einem Laien erklären?

Veen: Der Hubschrauber ist durch zwei Punkte limitiert: Da ist das Triebwerk. Es leistet in großer Höhe, wo weit weniger Sauerstoff ist, auch deutlich weniger. Das Sauerstoffmolekül verbindet sich mit dem Spritmolekül und verbrennt. Je weniger Sauerstoff, desto schwächer die Verbrennungsexplosion. Auch spielen die aerodynamischen Verhältnisse am Rotorblatt eine Rolle. Der Rotor erzeugt durch Sog oben und Druck unten Auftrieb. Je dünner die Luft wird, desto schneller müsste sich das Blatt drehen (normalerweise zu 500 Umdrehungen pro Minute), um denselben Sog zu erzeugen. Die Drehzahl des Rotors kann aber der Pilot nicht beeinflussen.

SZ: Gibt es dort oben Turbulenzen?

Veen: In diesen Höhen gibt es in den Bergen katastrophale Auf- und Abwinde. Wenn ich dann ohnehin schon wenig Leistung der Turbine habe und der Wind drückt mich gegen das Massiv, besteht die Gefahr, mit dem Heli gegen den Berg gedrückt zu werden und zu zerschellen. Ich werde zum Spielzeug des Windes.

SZ: Kann man ein Triebwerk so überdrehen, dass es kaputtgeht?

Veen: Ich habe in der linken Hand einen Verstellhebel für die Rotorblätter. Der ist gekoppelt mit der Spriteinspritzung. Je größer der Anstellwinkel der Rotorblätter, desto mehr Leistung wird von der Turbine gefordert. Damit die Drehzahl nicht sinkt, gibt die Einspritzung automatisch mehr Kraftstoff ab. Aber eben nur bis zu einer gewissen Grenze. Sonst besteht Gefahr für das Triebwerk. Das heißt also: Die Drehzahl der Turbine ist in dieser Höhe der limitierende Faktor.

SZ: Sind die Piloten, die derzeit die Rettungsflüge am Nanga Parbat versuchen, lauter Verrückte?

Veen: Das sind Vollprofis. Die Pakistani sind ja auf solche Flüge spezialisiert. Das sind, glaube ich, überhaupt die Einzigen, die da hochkommen. Es sind keine Verrückten. Sie fliegen nicht über die Frankfurter Hochhäuser wie ich, die riskieren wirklich ihr Leben. Wenn sie abheben und hochfliegen, dann kann's vorbei sein. Das sind wirklich Helden.

SZ: Was war Ihr gefährlichster Flug?

Veen: Einer meiner Abstürze. Ich hatte einmal, als ich mit drei Passagieren über Hamburg flog, einen Triebwerksausfall. Ein Materialfehler des Luftfilters war schuld. Glücklicherweise konnte ich auf einer Pferdekoppel ohne Motor landen. Die Leute blieben alle unverletzt, die Maschine wurde nicht beschädigt.

© SZ vom 22.07.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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