Baden-Württemberg:Der Giftmischer von nebenan

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In diesem Mehrfamilienhaus soll der mutmaßliche Täter wohnen. (Foto: Eibner/imago)

Nach kurzer Suche fasst die Polizei den Supermarkt-Erpresser, der Babybrei vergiftet haben soll. Dem Mann mit "psychischen Auffälligkeiten" droht jetzt eine lange Haftstrafe.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Zwischen dem Fahndungsaufruf am Mittwoch und der Festnahme vergingen 51 Stunden. Dann war der mutmaßliche Supermarkt-Erpresser gefasst. Der 53-jährige Deutsche hatte in fünf Läden in Friedrichshafen am Bodensee Babynahrung mit Gift versetzt und mehrere Handelskonzerne erpresst. In Mails forderte er einen zweistelligen Millionenbetrag und drohte, bei Nichtzahlung weitere Lebensmittel zu vergiften. Nachdem die Polizei Konstanz Fotos des Verdächtigen von einer Überwachungskamera veröffentlicht hatte, gingen 1500 Anrufe und 400 Mails ein. Mehrere davon nannten unabhängig voneinander den Verdächtigen, der daraufhin am Freitag in Ofterdingen bei Tübingen festgenommen wurde. Am Samstag legte er ein Geständnis ab.

"Sie sehen mich heute deutlich entspannter als am Freitag", sagte Polizeivizepräsident Uwe Stürmer am Samstag auf einer Pressekonferenz in Konstanz. Zwei Tage zuvor hatte er noch von einem "sehr skrupellosen Täter" gewarnt und betont, dass er dessen Drohungen "sehr ernst" nehme. Bei dem Festgenommenen handele es sich um einen vorbestraften "exzentrischen Einzelgänger", sagte Stürmer. Ein Mann mit "psychischen Auffälligkeiten" und "Brüchen in seiner Biografie". Der Sozialhilfe-Empfänger ohne Freunde wohnt seit 2015 in Baden-Württemberg, vorher war er in Bayern gemeldet. Die Polizei geht davon aus, dass er die Tat alleine geplant und begangen hat. Hinweise auf Mittäter gebe es bislang nicht.

Nach der Festnahme verhärtete sich der Verdacht "quasi stündlich", wie Stürmer sagte. In der Wohnung des 53-Jährigen habe man eine Flasche Äthylenglykol gefunden - also jenes Gift, mit dem die fünf Babynahrungs-Gläschen in Friedrichshafen versetzt worden waren. Zudem befanden sich in einem Altkleider-Container in der Nähe der Wohnung jene Umhängetasche und Schuhe, die Stürmer bei seinem Fahndungsaufruf als auffällige Details genannt hatte. Auch ein Laptop sei in dem Container entsorgt worden. Stürmer geht davon aus, dass auf diesem weitere Indizien zu finden sind. Nicht zuletzt liege die Ähnlichkeit des Festgenommenen mit den Fahndungsfotos "auf der Hand".

Der Mann äußerte sich bei den Vernehmungen zunächst nicht. Erst einen Tag nach der Festnahme räumte er die Tat ein. Gleichzeitig beteuerte er, keine weiteren Lebensmittel mit Gift versehen zu haben. Dennoch steht ihm ein Prozess wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und womöglich auch wegen versuchter Tötung bevor. Ihm droht im Extremfall lebenslange Haft. Aufgrund der Restmenge in der gefundenen Giftflasche geht die Polizei davon aus, dass sich keine weiteren vergifteten Produkte im Handel finden. Sicher sei das aber nicht.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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