Baden-Württemberg:Bierzelt-Werbung mit angeblich 15-Jähriger empört Eltern und Lehrer

Lesezeit: 2 min

Das umstrittene Plakat. Die Person rechts hinten wurde von uns gepixelt, weil sie ihre Einwilligung zur Veröffentlichung zurückgezogen hat.  (Foto: N/A)

Junge Mädchen lachen und prosten in die Kamera. Wegen dieser Plakatwerbung gibt es im schwäbischen Nürtingen jetzt einen mittleren Skandal. Denn die Abgebildeten sollen zum Zeitpunkt des Fotos minderjährig gewesen sein und hätten kein Bier trinken dürfen. Der Oberbürgermeister verteidigt das Plakat trotzdem.

Von Merle Sievers

"Dann stoßt mal an!", sagt der Fotograf zu den jungen Mädchen im Festzelt auf dem Cannstatter Wasen. Anabel und Kim-Alissa greifen zum Bierkrug, lächeln in die Kamera und reißen die Arme in die Luft. Hübsche Mädchen, ausgelassene Stimmung, gutes Bier: das perfekte Werbemotiv für ein Bierzelt.

Das dachte sich auch die Agentur Onetaste Media und nutzte das Foto für eine Werbekampagne, um ein Festzelt auf dem Maientag in Nürtingen zu bewerben. Flyer, Broschüren und Plakate mit dem Foto seien gedruckt und seit 2010 immer wieder verteilt worden, berichtet die Stuttgarter Zeitung. Laut einer Stellungnahme, die über den Rechtsanwalt des Festzeltwirtes verbreitet wurde, sei das Foto aber erst im April 2011 aufgenommen worden.

Jetzt soll sich allerdings herausgestellt haben, dass Anabel zum Zeitpunkt der Aufnahme erst 15 Jahre alt war und dementsprechend gar kein Bier hätte trinken, geschweige denn Werbung dafür machen dürfen. Ihre Freundin Kim-Alissa war damals 16 Jahre alt, durfte damit zwar schon Bier trinken, jedoch nicht ohne Einwilligung der Eltern fotografiert werden. Laut Stellungnahme des Festwirts hätten sich die auf dem Foto abgebildeten Personen zuvor in einem Auswahlverfahren beworben - und nachgewiesen, dass sie bereits volljährig seien. "Keiner der damals anwesenden Mitarbeiter kann erklären, warum die Mädchen jetzt behaupten, damals nicht volljährig gewesen zu sein", heißt es in der Erklärung.

Dem widersprechen die in der Stuttgarter Zeitung berichteten Aussagen der beiden Mädchen: "Wir sind da einfach so reinspaziert. Wir haben uns an einen Tisch gesetzt und wurden angesprochen, ob wir zu einem Shooting bereit seien." Als Belohnung hätten sie sogar Wertmarken für zwei Maß Bier und ein halbes Hähnchen bekommen.

Bierzeltwerbung mit Teenagern, denen das Jugendschutzgesetz Alkoholkonsum verbietet - keine gute PR. Der Wasenwirt, für dessen Festzelt mit dem Foto geworben wurde, sagte zu Süddeutsche.de, dass mit dem Motiv vorerst jedenfalls nicht weiter geworben werde. Der Marketingpartner Onetaste Media lehnte eine Stellungnahme auf Anfrage ab.

In Nürtingen formiert sich unterdessen heftiger Protest gegen das Werbeplakat, das auch an Schulen und Kindergärten geschickt wurde. Mehrere Schulleiter der Region zeigten sich in der Stuttgarter Zeitung entsetzt, dass die Stadt Nürtingen als Partner des Maientages die Werbung mit den minderjährigen Models unterstützt.

Der Nürtinger Oberbürgermeister Otmar Heirich versteht die Aufregung nicht. Er sehe auf dem Plakat "eine typische Bierzeltszene mit jungen Leuten um die 27, die feiern und fröhlich sind." Insofern sei das Plakat "nichts Besonderes und auch nicht anstößig", so Heirich in einer Stellungnahme.

Um die 27 also. Tatsächlich sind die Mädchen deutlich jünger - und auf viele Betrachter wirken sie auch so. Ein Plakat mit jungen Menschen, das ins Bierzelt einlädt, aufgehängt an Orten, an denen sich überwiegend Minderjährige aufhalten. Schulleiter und Eltern sehen darin ein Problem.

Die Präventionsbemühungen der Stadt gegen den Alkoholmissbrauch Jugendlicher würden dadurch lächerlich gemacht, kritisiert eine Schulleiterin. Dass der Oberbürgermeister der Stadt die Werbekampagne auch noch verteidigt, anstatt sich davon zu distanzieren, setzt dem Ganzen für viele noch die Krone auf.

Hinweis der Redaktion: Für eine vorherige Fassung des Artikels stand die ausführliche Stellungnahme des Anwalts des Festzeltwirtes noch nicht zur Verfügung. Diese widerspricht der Darstellung der Stuttgarter Zeitung in einigen Punkten, die strittigen Punkte sind in der aktuellen Fassung des Artikels dargelegt.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: