Australien:Der Flohkrebs war schuld

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Wie die blutigen Füße eines 16 Jahre alten Schülers aus Melbourne zum Rätsel des Sommers wurden.

Von Laura Hertreiter

Diese Woche begann mit den Bildern blutiger Jungenfüße und einem scheinbar großen Rätsel. Ein 16 Jahre alter Australier hatte jene zunächst unversehrten Füße nach einem Footballmatch zur Abkühlung am Strand von Melbourne ins Meerwasser gehalten. So stand er da. Eine halbe Stunde lang. Als er aus dem Wasser stieg, so berichteten es Medien weltweit, soll er festgestellt haben, dass Füße und Knöchel blutüberströmt waren, zerbissen von geheimnisvollen kleinen Kreaturen. Und endlich war ein Sommerlochrätsel da.

Gestatten: Sommerloch-Märchenprinz Sam Kanizay und ein Flohkrebs. (Foto: dpa)

Alle Versuche, die Blutung zu stoppen, seien zunächst fehlgeschlagen, wurde vermeldet, meist nebst gruseligen Nahaufnahmen und Bildern des Patienten im Krankenbett. Die Ärzte konnten die Blutung aus Hunderten nadelstichgroßen Bisswunden erst nach einigen Stunden stoppen. Schon vorher aber meldeten sich Experten öffentlich mit Ferndiagnosen zu Wort: Quallenlarven könnten die Übeltäter sein, mutmaßte ein Biologe im Channel Seven. Aber er habe "so etwas noch nie gesehen". Auch ein Parasiten-Experte der Universität von Queensland gab sich ratlos, so etwas sei ihm "noch nie begegnet".

Am Dienstag trat schließlich und endlich Meeresbiologin Genefor Walker-Smith auf den Plan und erlöste die nägelkauende Welt: Sie identifizierte die Tiere im US-Fernsehen als Flohkrebse, Amphipoden genannt, wie sie in allen Weltmeeren vorkommen; zu ihrer Nahrung gehören tote Fische oder Seevögel. "Eigentlich greifen sie keine Menschen an", sagte die Biologin. Sie vermute, der Schüler habe zu lang regungslos in der Nähe eines toten Tieres gestanden, weshalb die sechs bis 13 Millimeter großen Flohkrebse ihn attackierten. Wegen der niedrigen Wassertemperaturen habe er die Bisse vermutlich nicht bemerkt. "Das hat ihnen viel Zeit gegeben, zuzuschnappen", sagte sie dem Sender ABC. Normalerweise spüre man die Bisse und reibt die Tiere einfach weg.

So weit die Schlagzeilen. Nun handelt es sich ja beim Meer um einen natürlichen Lebensraum, weshalb im Laufe der Geschichte ungezählte Menschenfüße den Fluten mit Stichen, Bissen und anderen Läsionen entstiegen sind. Dass Sam Kanizays Füße dennoch zu solcher Berühmtheit gelangten, hat vor allem mit medialer Aufrüstung zu tun. Denn der Vater des Teenagers hatte die Geschichte akribisch dokumentiert, man könnte von einer dramatischen (Über-)Inszenierung sprechen, mit Berichten vor, während und nachdem sein Sohn ins Krankenhaus gebracht worden war. Anschließend fischte er am Tatort (!) nachts (!) einige der Tierchen aus dem Wasser und filmte sie Fleischreste fressend. "Die kleinen Dinger lieben Fleisch, so viel ist klar", kommentiert er aus dem Off. So sieht er aus, der Stoff, aus dem Sommerlochträume gemacht sind.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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