Australien:Amoktat in Melbourne - "Er hat sie umgefahren wie Dominosteine"

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  • In Melbourne hat ein Amoktäter vier Menschen getötet und mehr als 20 verletzt.
  • Er lenkte ein Auto in eine Fußgängerzone und wurde wenig später von der Polizei festgenommen.
  • Der Mann soll seit langer Zeit psychische Probleme gehabt und Drogen genommen haben.

Von Jan Bielicki, Perth

Mitten auf der Kreuzung vor Melbournes größtem Bahnhof drehte das dunkelrote Auto des Typs Holden Commodore wilde Kreise. Der Fahrer lehnte sich aus dem Fenster und schrie auf die zahlreichen Passanten ein. Er fuhr weiter und bog, verfolgt von Polizisten, in die zentrale Fußgängerzone der australischen Millionenstadt ein, am Freitagmittag um halb zwei voller Menschen. Dort gab er Gas.

Offenbar in voller Absicht, so stellte die Polizei danach fest, raste er auf die in Panik fliehenden Leute zu. "Er hat sie umgefahren wie Dominosteine", berichtete ein Augenzeuge australischen Medien. "Menschen sind über die Motorhaube geflogen, andere lagen unter dem Auto", erzählte eine andere Zeugin. Wiederum andere sahen, wie das Auto einen Kinderwagen erfasste: "Das Baby flog durch die Luft, und die Mutter lag blutend auf dem Boden."

Erst zwei Häuserblöcke hinter dem Ende der Fußgängerzone gelang es der Polizei, den Amokfahrer mit Schüssen und einem Ramm-Manöver zu stoppen. Die Verfolger zogen den nach Polizeiangaben mit nicht lebensgefährlichen Schusswunden verletzten Mann aus seinem demolierten Auto und nahmen ihn fest.

Doch da lagen drei Menschen - ein Mann, eine Frau und ein junges Kind - bereits sterbend auf der Straße. Später teilte die Polizei mit, dass noch eine vierte Person gestorben sei. Mindestens 25 Menschen wurden in die umliegenden Krankenhäuser gebracht, mindestens vier von ihnen mit lebensgefährlichen Verletzungen. In einem Operationssaal des Royal Children's Hospital kämpften Ärzte stundenlang um das Leben eines drei Monate alten Babys.

Messerangriff auf eigenen Bruder

Der 26-jährige Amokfahrer war den Behörden bereits in der Vergangenheit "bei vielen Gelegenheiten" aufgefallen, wie Polizeipräsident Graham Ashton auf einer Pressekonferenz mitteilte. Der Mann hat demnach seit langer Zeit psychische Probleme, nahm Drogen und war in Fälle von häuslicher Gewalt verwickelt. Erst vor einer Woche war er wegen eines gewalttätigen Angriffs auf ein Familienmitglied angeklagt worden. Am frühen Morgen vor seiner Amokfahrt hatte er im südlichen Vorort Windsor auf seinen Bruder eingestochen, der sich später schwer verletzt in einem Krankenhaus meldete. Auch seine Mutter soll bei der Auseinandersetzung verletzt worden sein. Als einer Polizeistreife sein rätselhafter Fahrstil auffiel, war er in Begleitung einer Frau, die er möglicherweise als Geisel genommen hatte. Sie konnte jedoch aussteigen, bevor er die Innenstadt erreichte.

Schon kurz nach der Amokfahrt hatte die Polizei mitgeteilt, dass die Tat keinen terroristischen Hintergrund habe. Erst zwei Tage vor Heiligabend hatten Anti-Terror-Spezialkräfte vier junge Australier in einem Vorort von Melbourne festgenommen. Die mutmaßlichen Islamisten sollen geplant haben, am Weihnachtsfeiertag mit Sprengstoff und Waffen ein Massaker in der Innenstadt anzurichten - genau an jener Kreuzung zwischen dem Bahnhof und der anglikanischen Kathedrale, auf der die tödliche Fahrt des 26-Jährigen begann.

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