Anschlagserie an Autobahnen:Ballern auf Laster

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Die Kripo rätselt über eine bundesweite Anschlagserie an Autobahnen. In einem Jahr wurden 160 Lastwagen von Schüssen getroffen. Spielen die Täter ein in die Realität übertragenes Ballerspiel?

Bernd Dörries

Manche hören einen kleinen Knall und denken, ein Stein sei gegen die Karosserie geflogen. Die meisten aber hören gar nichts, merken nicht, dass auf sie gefeuert wurde. Bei Tempo 90 ist das wahrscheinlich auch besser so.

Die Autobahn A61 - hier passieren viele der mysteriösen Anschläge (Foto: Foto: ddp)

Es wird geschossen wie noch nie auf deutschen Autobahnen, seit Oktober 2008 sind 160 Lastwagen getroffen worden, in elf Bundesländern wurden Einschüsse gemeldet. Vielleicht war es ein Täter, vielleicht mehrere. Die einzige Gemeinsamkeit, die sich bisher erkennen lässt, ist, dass immer Neuwagen auf Autotransportern das Ziel sind. Mal trifft es die Fahrertür, mal die Frontscheibe.

Der jüngste Fall datiert vom 10. September, als ein Lkw-Fahrer bei der Pause ein zwei Zentimeter großes Einschussloch in der Fahrertür eines Minivans entdeckte, von denen er ein halbes Dutzend auf dem Anhänger hatte. Er meldete sich bei der Autobahnpolizei in Walldorf, die den Schaden aufnahm. Viel mehr kann sie nicht tun - obwohl es sich bei den Schüssen um eine tödliche Gefahr für viele Verkehrsteilnehmer handelt.

Rollende Tatorte

"Wir haben es mit rollenden Tatorten zu tun", sagt Harald Kurzer von der Polizei in Heidelberg. "Wir wissen nie, wo geschossen wurde." Nie hat ein Lkw-Fahrer einen Schützen gesehen, nie etwas Verdächtiges bemerkt. Manchmal ist es so, dass sich der Lkw im hohen Norden aufmacht und der Fahrer erst in Italien merkt, dass er ein Loch in seiner Fracht hat. Der mögliche Tatort ist dann mehrere tausend Kilometer lang.

"Wir können nun nicht Hunderte Kilometer Autobahn ablaufen", sagt Kurzer. Er hat keine heiße Spur, höchstens eine lange. Das Gebiet, an dem wohl die meisten Schüsse fielen, liegt entlang der A6 und A61, zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen. Genauer wissen es die Ermittler nicht.

Am Anfang, als es noch nicht so viele Schüsse waren, hat noch jede Polizeidienststelle für sich ermittelt, dann schalteten sich die Landeskriminalämter ein und mittlerweile auch das BKA. Neulich hat man wieder eine Lageeinschätzung verschickt an alle Dienststellen, und an der Lage hat sich nicht viel verändert: Man weiß kaum etwas über den oder die Schützen oder das Motiv. Auch die Frage, ob stets aus derselben Waffe geschossen wurde, ist noch nicht geklärt.

Sicher ist lediglich, dass aus Kleinkaliberwaffen gefeuert wurde. In vielen Neuwagen wurden zwar Projektile gefunden, die aber durch den Einschlag so verformt sind, dass sich weder das genaue Kaliber feststellen lässt noch ob sie aus der selben Waffen kommen. Kleinkaliberwaffen kann sich jeder Sportschütze besorgen.

"Höhere Gewalt"

Vielleicht sind die Schüsse auf die Laster so etwas wie ein Ballerspiel, das in die Realität übertragen wurde. Für ein anderes Motiv gibt es keine Hinweise. Die Fabrikate der beschossenen Autos sind so unterschiedlich wie ihre Bestimmungsorte. Auch sind verschiedene Spediteure betroffen.

"Bei unseren Fahrern wächst natürlich die Besorgnis. Wenn der Schütze einmal sein Ziel verfehlt oder ein Querschläger abprallt, kann das Ganze schnell tödlich enden", sagt Ingo Hodea vom Verein Automobillogistik in Bonn. Der Schaden an den Neuwagen beläuft sich meist auf 1500 bis 3000 Euro und wird von den Versicherungen übernommen. "Die Neuwagen gehören ja noch den Autoherstellern, und die Einschusslöcher fallen unter höhere Gewalt", sagt Hodea.

Höhere Gewalt, so heißt das mittlerweile im Versicherungsjargon, wenn auf deutschen Autobahnen zigfach geschossen wird, und offenbar niemand etwas dagegen tun kann.

© SZ vom 26.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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