Aktuelles Lexikon:Lästern

Ein Drittel seiner Lebenszeit verbringt der Mensch angeblich damit, über andere zu tratschen.

Von Matthias Drobinski

Schon vor 350 Jahren sagte der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal: "Wenn alle Menschen wüssten, was der eine über den anderen redet, gäbe es keine vier Freunde auf Erden". Dem Lästern geht es wie allen Versuchungen: Man kann ihr schwer widerstehen. Ein Drittel seiner Lebensredezeit verbringt der Mensch angeblich damit, über abwesende Dritte zu tratschen. Und je mehr es über dessen Schwächen, Fehler oder gar Skandale geht, umso mehr bleibt das Urteil über den Abwesenden den Teilnehmern des Tratsches in Erinnerung. Entsprechend trägt schon die Herkunft des Wortes das moralische Verdikt in sich - es kommt vom Laster und von der Lästerung, der Beleidigung des Heiligen, deren schlimmste Form die Gotteslästerung ist. Psychologen sehen die Sache weniger dramatisch. Für sie ist das Reden hinter dem Rücken des anderen auch ein Ventil und ein soziales Warn- und Lernsystem: Man erfährt, wem man trauen kann und wem nicht, und man hört auch, welche Verhaltensweisen unter den Lästerern als gut, als Kavaliersdelikt oder als schlimme Verfehlung gelten. Zu viel üble Nachrede allerdings schadet dem Klima in einer Gruppe und meist auch dem Lästerer selber - daran dürfte Papst Franziskus gedacht haben, als er den gerade in Rom versammelten Ordensleuten sagte: "Wer lästert, der ist ein Terrorist, er wirft Wort-Bomben und geht dann selber weg, er zerstört."

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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