Aktuelles Lexikon:Aprilwetter

Wetter-Apps verdrängen altbewährte Bauernregeln, der Zugewinn an Genauigkeit ist jedoch zweifelhaft.

Von Johan Schloemann

Als der Journalist Jeremy Paxman einst Newsnight moderierte, eine Nachrichtensendung, die man sehr großzügig als die britischen "Tagesthemen" bezeichnen könnte, da zwang man ihn, am Ende auch die Wettervorhersage zu sprechen. Der Moderator fand das albern und überflüssig, und er rächte sich. Eines Abends ließ er die Wetterkarte nicht länger als eine Sekunde lang einblenden und sagte nur: "Wir haben April - was erwarten Sie?" Heute, wo es anstelle von Bauernregeln Wetter-Apps und Strömungsfilme gibt, kann man in bierernsten Meteorologie-Vorlesungen im Fernsehen ausführlich lernen, warum das Wetter im Frühjahr nun mal oft wechselhaft ist: weil ein starkes Temperaturgefälle zwischen Süd- und Nordeuropa dazwischen zu Kollisionen führt. Bei aufgeregter Daueraktualisierung wird daraus gerne gleich ein "Kälte-Schock". Zwar stellt späte Frühjahrskälte für die Landwirtschaft tatsächlich ein Risiko dar. Aber die Panikmache bringt schnell zweierlei durcheinander: Extreme, die bereits Folgen des Klimawandels sein könnten, und andererseits abweichende Wetterlagen, die trotzdem ganz normal sind. Die Wetterkunde spricht da von "Singularität". Insgesamt werden die Prognosen genauer, doch im Frühjahr ist man mit "Regenwahrscheinlichkeit 50 Prozent" auch nicht viel besser bedient als mit dem Dichter Mörike: "Es ist doch im April fürwahr / Der Frühling weder halb noch gar."

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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