Zweierbeziehung:Beste Freunde

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Über das Verhältnis von Mensch und Hund

"Mit zunehmender Urbanisierung gibt es weltweit eine lineare Zunahme der Hundehaltung." Zugegeben, dieser Satz klingt sehr professoral. Was wahrscheinlich daran liegt, dass Kurt Kotrschal, der ihn gesagt hat, Professor ist. Verhaltensbiologe, Hund- und Wolfsforscher im Wolf Sience Centre in Ernstbrunn nordöstlich von Wien. Er hat viele Bücher darüber geschrieben, sein jüngstes heißt "Einfach beste Freunde". Der anfangs zitierte Satz stammt aus einem SZ-Interview vom vergangenen Jahr. Und er trifft natürlich auch auf Deutschland zu, obwohl es hierzulande, etwa im Vergleich zu Frankreich, eine deutlich geringere Hundedichte gibt (38 zu neun Prozent der Haushalte). Und München mit seinen 809 000 Haushalten und knapp 30 000 Hunden, also um die vier Prozent, liegt nochmals deutlich drunter.

Gilt Professor Kotrschals Satz für München nicht? Gibt es hier weniger Sehnsucht nach einem Hund als in anderen Städten? Wohl kaum. Aber vielleicht liegt die Ursache dieses statistischen Ausreißers darin, dass sich in dieser Stadt viele Menschen kaum die Miete leisten können. Und dazu dann noch Hundefutter, Hundeschule, Hundesteuer, Tierarzt? Des Professors Satz läuft ja darauf hinaus, dass die wachsende Hundedichte ihren Grund in einer verschärften Anonymisierung der Gesellschaft hat. Und da ist München sicher ganz vorne mit dabei. So gilt auch hier für viele: Wenn schon keiner mehr mit mir redet, dann habe ich wenigstens den Hund als Gefährten. Für manchen ist der Hund dank seines im Vergleich zur menschlichen Nase ums Zwanzigtausendfache sensibleren Riechorgans ein Schnüffelprofi. Doch wer beispielsweise zwischen den Plattenbauten links und rechts der Chiemgaustraße spazieren geht, sieht viele alte Menschen, die zum einen wohl nicht sehr begütert sind, zum zweiten aber oft einen meist kleinen Hund an der Leine halten, mit dem sie auch gerne ein bisschen reden. "Komm Lumpi, setz ma uns a bisserl hin."

Der Hund als Gefährte, diese Liaison ist in etwa 30 000 Jahren gewachsen. Es gibt den jungen Mann, den gerade die Geliebte verlassen hat und der diesen Kummer mit Prosecco betäubt, seinem Hund einen Schluck davon in den Napf gießt und ihm zuprostet: "So a bläde Kuah!" Es gibt den Witwer, der jeden Tag mit seinem Dackel das Grab der Frau besucht und fest daran glaubt, dass der Hund mit ihm trauert. Es gibt das verhaltensgestörte Kind, das plötzlich Verantwortung für einen Hund übernehmen muss und auf einmal wie verwandelt ist. Und es gibt natürlich auch Paare, für die der Hund, warum auch immer, Kindersatz ist.

In einer TV-Doku unlängst in der ARD hat ein Hund, obwohl nicht ausgebildet zum Assistenzhund, seinem Frauchen das Leben gerettet, weil er die tödliche Gefahr des Schlaganfalles irgendwie erkannt und die Nachbarschaft zusammengebellt hat. Belegt ist auch die Geschichte des jungen Aushilfstaxifahrers, der nach der Nachtschicht sofort eingepennt war und wenig später von seinem Hund geweckt wurde, weil es nach Gas roch. Tags zuvor hatte der Installateur den Ofen gewechselt und eine Dichtung dabei übersehen.

Sicher, es gibt viele Menschen, die keine Hunde mögen. Müssen sie auch nicht. Es liegt aber vor allem an denen, die Hunde haben, dass es zu keinem Konflikt der beiden Lager kommt. Denn ein Hund ist nicht nur ein bester Freund, er ist, auch das ist Liebe, ein Wesen, für das man Verantwortung übernehmen muss.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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