Zusätzliche Bürokratie:Und jetzt die Rechnung, bitte!

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Begehrter Job: Für Bedienungen auf der Wiesn gibt es Ausnahmen. (Foto: Schellnegger)

Auch die Gastronomen müssen jetzt penibel die Arbeitszeiten dokumentieren. Das führt in der Praxis zu einigen Problemen

Von Franz Kotteder, München

Die Münchner Wirte sagen meistens, wenn man sie auf den Mindestlohn anspricht: "Das ist für uns kein Problem!" Der Münchner Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands, Conrad Mayer, sagt: Schließlich müsse man bei den vielen Lokalen und Restaurants und bei den hohen Lebenshaltungskosten in der Stadt ohnehin schon mehr zahlen, als der Gesetzgeber mit seinen 8,50 Euro pro Stunde neuerdings vorschreibe. Indirekt betroffen sind die Münchner Gastronomen aber sehr wohl, und zwar von den Begleiterscheinungen des neuen Gesetzes. Und das betrifft vor allem die Dokumentationspflicht, was die Arbeitszeiten angeht. Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit müssen innerhalb einer Woche penibel aufgezeichnet werden für alle Arbeitnehmer, die weniger als 2958 Euro brutto im Monat verdienen, und zwar in den Branchen, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt sind. Dazu zählt auch die Gastronomie. Das hat nicht nur einen enormen Verwaltungsaufwand zur Folge, über den viele Wirte schimpfen. Sondern es bedeutet auch, dass Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz leichter nachzuweisen sind.

Und das kann nicht nur für normale Gaststätten zum Problem werden, wenn die Hochzeitsfeier mal etwas länger dauert als die eigentlich geplante Arbeitszeit des Service-Personals. Noch schwieriger ist das nämlich bei Volksfesten. Anfang März wurde das deutlich, weil die Wiesnwirte auf den Putz hauten und eine Sonderregelung forderten. Die bekamen sie dann auch von der bayerischen Arbeitsministerin Emilia Müller (CSU) nach einem Gespräch mit dem Sprecher der Wiesnwirte, Toni Roiderer vom Hackerzelt.

Im Kern ging es dabei vor allem um die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten. Die sind zwar schon immer im Arbeitszeitgesetz geregelt und sehen acht Stunden pro Arbeitstag vor, ausnahmsweise maximal zehn Stunden, und nach spätestens sechs Stunden muss es eine Ruhezeit geben. Bei Sonntagsarbeit soll es einen Ausgleichstag innerhalb von zwei Wochen geben, mehr als sechs Tage sollte man nicht am Stück arbeiten. Das alles ist bei Volksfesten praktisch nie der Fall. Weil man dort in relativ kurzer Zeit aber gutes Geld verdienen kann, sind die Jobs dort sehr begehrt, und bisher waren die Gewerbeaufsichtsämter auf Weisung des Arbeitsministeriums immer sehr großzügig, was die Kontrollen anging.

Das wird wohl auch so bleiben, wenn man die Ergebnisse des Wiesn-Mindestlohn-Gipfels richtig interpretiert. Arbeitsministerin Müller sprach von einem "praxisorientierten und lebensnahen Vollzug der Gesetze, so wie wir das auch in den Vorjahren in gutem Miteinander gehalten haben", und Roiderer war froh, "dass wir gemeinsam eine praktikable Lösung gefunden haben". Konkret heißt das: Die Ausgleichszeiten können auch vor und nach dem Volksfest genommen werden, die Wirte müssen die Beschäftigten nur entsprechend lange anstellen.

Insofern bleibt für die Beschäftigten auf Volksfesten vieles so wie bisher. In der herkömmlichen Gastronomie auch, außer in manchen Münchner Szene-Kneipen. Dort gab es bisher oft ein flexibles Vergütungssystem, mit einem niedrigen Grundlohn und einer Beteiligung am Umsatz. Jetzt zahlen die Wirte meist notgedrungen den höheren Mindestlohn und verzichten dafür auf die Umsatzbeteiligung. Die Service-Kräfte, die bisher in den Spitzenzeiten jobbten, verdienen deshalb zum Teil erheblich weniger als bisher. Für sie hat der Begriff "Mindestlohn" jetzt eine ganz neue, andere Bedeutung.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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