Zur Europameisterschaft:Wein ohne Grenzen

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Eberhard Spangenberg brachte die Slow-Food-Bewegung nach München. (Foto: Stephan Rumpf)

Eberhard Spangenberg und Peter Riegel legen eine Vier-Länder-Cuvée zur EM auf

Von Franz Kotteder

Schon klar, zum Fußballschauen trinkt man normalerweise keinen Dürkheimer Nonnengarten von 2007 aus dem Pfälzer Weingut Schneider. Sondern eben ein Bier. "Bei großen Fußballturnieren und während der Wiesn haben wir Weinhändler nicht unsere beste Zeit", sagt Eberhard Spangenberg und lächelt mild ironisch. Der Inhaber der Garibaldi-Kette, deren Schwerpunkt auf italienischen Weinen liegt, hat sich aber schon länger dazu entschlossen, einfach gegenzusteuern. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren verkaufte er Weine aus verschiedenen Teilnehmerländern in einer Art Lotterie, bei der die Kunden auf den Sieger tippen konnten. Und diesmal bei der EM gibt es eine eigene Cuvée mit Bioweinen aus vier verschiedenen Länder unter dem Titel: "Wir feiern Europa - Europa ohne Grenzen". Die Edition legt er gemeinsam mit dem Biowein-Importeur Peter Riegel aus der Nähe von Konstanz auf. Mit der Eröffnung der EM in Paris am Freitag hat auch der Verkauf in den Filialen begonnen. Das Ganze dient auch einem guten Zweck: Ein Euro des Verkaufspreises wird an Flüchtlingshilfe-Organisationen gespendet.

Weine aus vier Ländern in einer einzigen Flasche? Für viele klingt das verdächtig nach Panscherei. Dabei ist das eigentlich in der Weinherstellung so ungewöhnlich nicht. Eine Cuvée, so der Fachbegriff, ist im Grunde nichts anderes als eine Auswahl aus verschiedenen Rebsorten, Weinen, Anbauflächen oder Jahrgängen eines Weins, die sich möglichst gut ergänzen sollen und gegebenenfalls auch Schwachpunkte ausgleichen können. Die Methode mit Wein aus verschiedenen Ländern wird allerdings auch bei den Billigweinen aus dem Supermarkt oder beim Discounter angewandt: Dort geht es darum, die günstigsten Weine aus vielen Herkunftsgebieten zu etwas Trinkbarem zusammenzumischen und günstig zu verkaufen. Beim Champagner ist die Cuvée andererseits oft die Regel - was zeigt, dass es sich dabei keineswegs um etwas Minderwertiges handelt.

Das nimmt natürlich auch Eberhard Spangenberg für seinen Europa-Wein in Anspruch: "Bei uns geht es vor allem um die Idee, auch höherwertige Weine zu vermischen. Es ist ja so, dass sich die Weinwelt, was die Qualität angeht, in den letzten 20 Jahren sehr gut entwickelt hat." In nahezu allen Ländern gebe es mittlerweile Weine von hoher und höchster Qualität, diese Erkenntnis habe sich inzwischen auch beim Publikum durchgesetzt. Für ihre Weißwein-Cuvée - erste Auflage: 12 000 Flaschen - haben Spangenberg und Riegel vier Sorten ausgewählt: Airén aus Spanien, Sauvignon aus Deutschland, Grillo aus Italien und Chardonnay aus Frankreich. Im Herbst soll dann noch eine Rotwein-Cuvée folgen, denn der Europa-Gedanke reicht ja schließlich weit über die Fußballweltmeisterschaft hinaus.

Vor allem geht es Spangenberg und Riegel um die politische Idee. Um den Gedanken, in Zeiten des zunehmenden Nationalismus zu zeigen, dass Europa eine Errungenschaft ist, die es zu verteidigen gilt. Für Spangenberg, der vor mehr als 20 Jahren unter anderem auch den deutschen Ableger der internationalen Slow-Food-Bewegung mitbegründete, haben Essen und Trinken von jeher auch eine gesellschaftliche Bedeutung: "Wir sind ja schließlich nicht allein auf der Welt."

Und so gilt es auch, mit der ganzen Aktion nach Außen zu wirken. "Wir haben bei dieser Europaaktion mit vielen Restaurants und Bars gesprochen, mit denen wir auch sonst zusammenarbeiten", erzählt Spangenberg, "und die Bereitschaft, den Europawein auf die Karte zu nehmen, war groß. Das hat mich sehr gefreut, weil es ja für die Wirte nicht unbedingt leicht ist, in diesen Zeiten hier Position zu beziehen." Allein in München sind von Anfang an 35 Bars und Restaurants beteiligt. Wo man den Europawein überall bekommt, lässt sich auf der Website von Garibaldi nachlesen, es gibt auch eine Homepage für die gesamte Aktion: www.europaohnegrenzen.org. Dort wird auch über die Verwendung der gesammelten Spenden informiert.

Ein Euro pro Flasche (Preis 8,95 Euro, der Sechserkarton kostet 49 Euro) geht an Flüchtlingshilfeorganisationen. In München sollen davon vor allem der Verein Refugio und der Flüchtlingsrat profitieren. Außerdem haben die beiden Initiatoren vier weitere Organisationen in Konstanz und in Berlin ausgewählt. Mit ein Auslöser für die ganze Aktion war für Eberhard Spangenberg die Schließung der österreichischen Grenzen durch die dortige Regierung vor etwa zweieinhalb Monaten. Grenzen passen überhaupt nicht zum Europa-Gedanken, findet er: "Die Geschichte des Weins ist ja sowieso eine Migrationsgeschichte." Grenzen waren für den Wein in Europa eigentlich immer schon eine Nebensache.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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