Zum Reformationsjubiläum:Musikalisches Massenerlebnis

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Das Pop-Oratorium "Luther" will 2500 Laiensänger auf die Bühne der Olympiahalle bringen

Von Henrik Oerding

Zum Jubiläumsjahr der Reformation 2017 soll das Pop-Oratorium "Luther" ein besonderes Erlebnis in der Olympiahalle bieten: Die Organisatoren suchen 1500 bis 2500 Laiensänger, um mit ihnen einen Chor zu formen. Bereits im Oktober 2015 fand die Uraufführung von "Luther" in der Dortmunder Westfalenhalle statt. Dort sahen 16 000 Menschen die Aufführung, 3000 Sänger waren im Chor vereint. Im Jahr 2017, wenn sich der Beginn von Luthers Reformation zum 500. Mal jährt, geht das Musical mit Solisten und Orchester auf Tour, der Chor wird jeweils am Ort selbst formiert. Für München werden dazu noch drei Einzelsänger gecastet. Die lokalen Solo- und Chorsänger sind freilich nicht Beiwerk, sondern stehen im Mittelpunkt: "Der Chor ist der Star des Abends", sagt der Komponist Dieter Falk.

2500 Sänger für jeden der acht Veranstaltungsorte zu mobilisieren und für die Aufführung fit zu machen, ist nicht einfach. Die Sänger müssen sich über das Online-Portal des Projektes anmelden, auch Kirchenchöre können als ganze teilnehmen. Dann bekommen sie die Noten, um sie selbst einzuüben; Chorleiter erhalten eine Schulung beim Komponisten, um die Arbeit im heimischen Chor zu vereinfachen. Es folgen Regionalproben, schließlich eine Hauptprobe wenige Wochen vor der Aufführung am Veranstaltungsort und zuletzt Generalprobe und Aufführung am 18. März 2017. Statt einer Gage erhalten Interessierte allerdings eine Rechnung: 20 Euro werden von Chorsängern, 30 Euro von Einzelsängern verlangt, dazu kommen obligatorisch 20 Euro für das Notenmaterial. Plus Versandkosten. Wer noch CDs mit Stimmen und Stücken zum Üben will, zahlt noch mal mehr. "Wir wollen, dass jeder teilnehmen kann", betont Marcel Volkmann vom Veranstalter, der Stiftung Creative Kirche, einer Organisation aus Nordrhein-Westfalen. Ihr gehe es nicht ums Geldverdienen, vielmehr seien die hohen Projektkosten von einer halben Million Euro auszugleichen. Weil dafür die Teilnehmerbeiträge nicht reichen, bezuschusst zum Beispiel die bayerische Landeskirche das Projekt mit 50 000 Euro.

Ein komplexer musikalischer Aufbau wie in "klassischen" Oratorien erwartet die Sänger nicht, das zeigt auch ein Blick aufs Personal: Komponist Dieter Falk ist für die Produktion radiotauglicher Popsongs und für seinen Einsatz in der Jury der Castingshow "Popstars" bekannt. Librettist Michael Kunze übersetzte Musicals ins Deutsche ("Cats", "König der Löwen") und schrieb selbst erfolgreiche Werke ("Elisabeth", "Tanz der Vampire"). Gemeinsam wollen sie die Geschichte um den Reformator "sexy machen", wie Falk sagt.

Kern der Handlung ist der Reichstag in Worms 1521. Martin Luther soll zu seinen Thesen angehört werden und diese später vor Kaiser Karl V. widerrufen. In Form von Rückblenden und Ausblicken werden der Beginn der Reformation und die Person Luther beleuchtet. Dabei ist die Geschichte bühnenwirksam aufbereitet, der junge Kaiser Karl wird zum Beispiel vom Sohn des Komponisten mit Basecap und Selfie-Sucht dargestellt. Auch der Chor ist an den Choreografien beteiligt.

Die Mischung aus bekennendem Christentum und betonter Coolness zieht, wie die Anmeldungen zeigen. Dazu ist die Bezeichnung "Pop-Oratorium" geschickt gewählt. Klingt sie doch einerseits nach flippiger Mainstreamtauglichkeit, andererseits nach alt-ehrwürdiger Tradition. Dabei geht es nicht so sehr um eine künstlerisch anspruchsvolle Darbietung, sondern eher um das gemeinsame Erlebnis einer Massenveranstaltung. Weniger eine ausgefeilte Broadway-Performance als Missionsarbeit an der Basis, so wird es ohne Zweifel den Mitsängern und deren Freunden im Publikum gefallen. Die Klasse von Bachs Weihnachtsoratorium sollte man allerdings nicht erwarten.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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