Zivilschutzkonzept:Hamsterkäufe? Daniel Huttary hat Plan B

Outdoor-Experte Daniel Huttary, der Lebensmittel für den Angriffsfall lagert, einen fertig gepackten, riesigen Notfall-Rucksack für die Flucht aus der Stadt bereit hält und Feuer machen/jagen/Wildkräuter essen gelernt hat, um im Wald zu überleben.

Daniel Huttary hat alles dabei, was man braucht. Auch für seine Lebensgefährtin hat er einen Notfall-Rucksack gepackt.

(Foto: Florian Peljak)

Der 32-jährige Münchner zweifelt am Zivilschutzkonzept der Bundesregierung, er ist seit Jahren für den Extremfall vorbereitet.

Von Anne Kostrzewa

Daniel Huttarys Sicherheitskonzept steckt in einem Armee-grünen Rucksack. Darin hat der 32-Jährige alles verstaut, was er für den Notfall braucht: Schlafsack, Wasserfilter, Taschenlampen, Nahrung, Batterien, Funk, Axt und Mückenschutz, dazu Werkzeuge, Medikamente, regendichte Kleidung und ein paar andere Sachen, alles verpackt in wasserdichten Beuteln. Wenn etwas passiert, muss Huttary nur den Rucksack schultern und kann sofort weg, raus aus der Stadt, fort von der Gefahr. Der Münchner ist seit Jahren für den Extremfall vorbereitet. Ob für diesen das neue Zivilschutzkonzept der Bundesregierung ausreicht, das Innenminister Thomas de Maizière an diesem Mittwoch im Bundestag vorstellte, daran hat Huttary aber seine Zweifel.

"Wer nun Vorräte für zehn Tage anlegt und denkt, jetzt kann mir nichts mehr passieren, der irrt sich", sagt Huttary. "Was bringen Hamsterkäufe für zehn Tage, wenn die Gefahrenlage für elf Tage anhält? Und was nützen die Vorräte im Keller, wenn der unter Wasser steht oder das Haus abbrennt?" Ein Horror-Szenario - im Zivilkonzept heißt es "Angriff auf das Territorium Deutschlands, der eine konventionelle Landesverteidigung erfordert" - halte auch er für unwahrscheinlich, betont Huttary. Aber nachdem vor langer Zeit seine Grundschule mal für eine unangekündigte Rettungsübung komplett verraucht wurde, habe er von klein auf ein Gefahrenbewusstsein entwickelt. "Ein überflutetes Haus, wie in Simbach, oder ein Wohnungsbrand, weil der Nachbar mit der Zigarette in der Hand eingeschlafen ist: Das kann jedem passieren."

Für solche Fälle will der Ingenieur und IT-Spezialist vorbereitet sein. Statt einen vom Staat herausgegebenen Leitfaden abzuarbeiten und sich dann zurückzulehnen, empfiehlt Huttary, diesen als Grundlage zu nehmen und sich darüber hinaus Gedanken über seine persönlichen Bedürfnisse zu machen. "Ich brauche kein Survival-Kit für den Wald, wenn ich nicht gern in der Natur bin. Und mir nützt ein Standard-Erste-Hilfe-Kasten wenig, wenn ich besondere medizinische Bedürfnisse habe."

Um wirklich vorbereitet zu sein, sagt Huttary, sollte jeder Münchner sich überlegen: "Was brauche ich, um mich wohl und sicher zu fühlen? Das bevorrate ich. Und falls ich von zu Hause weg muss, habe ich noch eine zweite Ausstattung an einem anderen, sicheren Ort."

"Für alles, was ich selber kann, brauche ich keinen anderen."

Für Daniel Huttary ist dieser sichere Ort sein Elternhaus auf dem Land, gute 100 Kilometer von München entfernt. Er hält sich und sein Fahrrad fit, um für die Strecke im Ernstfall nicht auf Strom oder Benzin angewiesen zu sein. Den Weg hat er in Tagesetappen geplant, die mit seinem schweren Rucksack zu bewältigen sind. Unterwegs, bei Freunden, hat er wasserdichte Boxen deponiert, gefüllt mit Wechselkleidung, Kopien wichtiger Dokumente und Erinnerungsstücken. "So habe ich alles, was ich brauche, ohne es tatsächlich mitschleppen zu müssen." Im eigenen Keller hat er seit Jahren Konservendosen und Wasserflaschen gelagert, aber nicht für zehn Tage. "Wenn es in München wirklich zu einer Großgefährdungslage käme, würde ich doch nicht zehn Tage zu Hause sitzen und warten, dass es vorbei geht." Der Outdoor-Experte weiß, wie er mit einfachsten Mitteln ein Feuer entfacht, selbst bei Eiseskälte und im strömenden Regen. Er hat einen Freund auf die Jagd begleitet, um mal mitzuerleben, wie jemand ein Tier ausnimmt. Auch weiß er, wie er seinen alten VW-Bus repariert. Und falls der Strom ausfällt, holt er sein batteriebetriebenes Funkgerät heraus.

Einige hielten dies sicher für übertrieben, sagt Huttary, aber für ihn sei das Ganze, über den Sicherheitsaspekt hinaus, auch ein Hobby, über das er sich eben immer neue Fähigkeiten aneigne. "Die Natur, das Handwerkliche, das macht mir Spaß. Und es hat natürlich etwas Männliches." Er lacht. "Aber Spaß beiseite, für mich ist das eine Frage der Selbstbestimmung", sagt Huttary. "Für alles, was ich selber kann, brauche ich keinen anderen." Er lasse sich gern helfen, wolle aber nicht darauf angewiesen sein. "Wir leben in einem Netz von Abhängigkeiten. Wenn etwas nicht klappt, rufen wir sofort Hilfe", sagt er. "Wenn Polizei, Feuerwehr oder Notarzt mal nicht kommen können, will ich einen Plan B haben." Das gebe ihm Sicherheit - und ein Gefühl von Freiheit. "Anderen kann ich nur helfen, wenn es mir selbst gut geht. Und dazu muss ich gut vorbereitet sein." Im Flugzeug solle man sich ja auch erst selbst die Rettungsweste anlegen und dann anderen helfen. "Das ist nicht egoistisch, sondern sinnvoll."

Alles dabei zu haben, alles selbst zu können, sei natürlich unrealistisch. "Wer ein Netzwerk von Freunden hat, auf die er sich verlassen kann, ist schon einen großen Schritt weiter", sagt Huttary. "Wir müssen nicht auf die Apokalypse warten, bevor wir uns auf das menschliche Miteinander zurückbesinnen." Wie es früher im Dorf funktioniert habe, wo jeder jeden kannte, jeder etwas konnte und man einander half, so könne es immer noch klappen, selbst in der Stadt: "Zieht jemand in meinem Haus ein, klingle ich und sage Hallo. Falls derjenige mal Hilfe braucht, kennt er mich und kann zu mir kommen - und umgekehrt."

Deshalb sieht Daniel Huttary im Zivilschutzkonzept vor allem eine Chance: "Wenn es die Menschen wachrüttelt und sie darüber nachdenken, was ihnen wichtig ist und wie sie das beschützen können, was zählt, hat die ganze Panikmache auch ihr Gutes."

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