Zentraler Omnibusbahnhof:Auf Durchreise

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Die niedrigen Temperaturen machen die Situation am ZOB noch schwieriger. Künftig soll es aber auch nachts die Möglichkeit geben, sich aufzuwärmen. (Foto: Florian Peljak)

Jede Nacht stranden Flüchtlinge am zentralen Busbahnhof. Nun soll ein weiterer Container sie vor der Kälte schützen

Von Inga Rahmsdorf

Eine syrische Familie mit drei Kindern will zu Verwandten nach Hamburg. Doch nun können sie nicht weiterreisen, weil sie keine Kindersitze haben, und der Busfahrer sie nicht mitnehmen darf, aus Sicherheitsgründen. Drei junge Afghanen wollen in München umsteigen, doch ihr Bus fährt erst am nächsten Morgen. Es ist kalt, sie tragen nur dünne Kleidung, für eine Übernachtung in einem Hotel haben sie kein Geld. Außerdem haben sie Angst, denn sie haben gehört, dass Afghanen abgeschoben werden. Eine junge Frau ist auf dem Weg nach Schweden, zu ihrer Familie.

Das sind drei von vielen Situationen, die sich jeden Abend am zentralen Omnibusbahnhof München (ZOB) abspielen. Seit die Temperaturen gesunken sind, ist die Situation besonders nachts schwieriger geworden. Offenbar ist es schon vorgekommen, dass Flüchtlinge dort im Freien übernachteten. "Wir befinden uns in einem Dilemma", sagt Sozialreferentin Brigitte Meier. Die Stadt bietet ein Kälteschutzprogramm an, auf dem Gelände der Bayernkaserne stehen 1000 Schlafplätze zur Verfügung. Doch viele Flüchtlinge wollten den Busbahnhof nicht verlassen, vor allem wenn ihr Bus am nächsten Tag in der Früh fahre. Zudem müssen sie sich für das Programm in der Schillerstraße erst registrieren. "Wir können sie nicht zwingen, unsere Angebote anzunehmen und auch nicht am Weiterreisen hindern", sagt Meier.

Weil die Stadt sich aber besonders um das Wohl der Kinder sorge, hat sie einen Bus am ZOB aufgestellt, der die ganze Nacht geöffnet ist und der Schutz gegen die Kälte bieten solle, sagt Maier. In der kommenden Woche soll nach Angaben des Sozialreferats ein weiterer Container aufgestellt werden soll, den das Bayerische Rote Kreuz betreibt.

Die Situation am ZOB ist auch schwierig, weil die Flüchtlinge dort aus dem eigentlichen Asylprozedere herausfallen. Wenn sie in das Ankunftszentrum der Regierung von Oberbayern kommen, werden sie dort medizinisch versorgt, verpflegt und registriert. Wenn laut dem bundesweiten Verteilsystem eine andere Kommune für sie zuständig ist, erhalten sie ein Zugticket dorthin. Doch ein Teil der Flüchtlinge reist auf eigene Faust weiter, oft weil die Menschen zu Verwandten wollen.

Um den Ankommenden zu helfen, hat sich die Initiative ZOB-Angels gegründet. Das sind Freiwillige, die täglich Essen, Getränke und warme Kleidung verteilen. Außerdem sind mehrmals in der Woche Mediziner des Vereins Ärzte der Welt im Einsatz und behandeln die Flüchtlinge. In den vergangenen zwei Monaten haben die Ärzte dort 1500 Menschen beraten und 320 Flüchtlinge medizinisch versorgt. 40 Prozent der Kranken waren Kinder und alleinreisende Minderjährige, sagt Ute Zurmühl, Sprecherin der Organisation.

Die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen, den Freiwilligen, der Stadt und der Polizei sei sehr gut, erklärt sie. Die Mediziner hätten in den vergangenen Wochen viele dramatische Fälle gesehen, viele Kriegsverletzungen, eine völlig unterkühlte hochschwangere Frau, viele Erschöpfungszustände und Kinder hätten häufig unbestimmte Bauchschmerzen und seien mangel- oder unterernährt. Es gebe einen großen Bedarf an Hilfe, aber alle Seiten seien bestrebt, schnelle, effektive und konkrete Lösungen zu finden.

Vor einigen Tagen haben die Ärzte am Busbahnhof an der Hackerbrücke beispielsweise einen 17-jährigen Jungen behandelt, der angab, das er alleine aus Syrien geflohen sei. Er habe erzählt, dass er inhaftiert und gefoltert worden sei. An seinem Knie hatte er eine Splitterwunde von einer Bombe und wegen einer Entzündung konnte er vor Schmerzen nicht sitzen. Sein Vater sei getötet worden, jetzt wollte er zu seiner Mutter und Schwester, die allerdings nicht in München, sondern in Schweden lebten.

© SZ vom 27.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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