Zauberkunst:Wie man sich nach oben zaubert

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Der eine zertrümmert Smartphones, der nächste trifft im Fernsehen auf sich selbst, und Karten gehen immer: Mit welchen Tricks Münchner Magier der Deutschen Meisterschaft ihrer Zunft entgegen fiebern

Von Johanna Feckl

Eine junge Frau steigt hinauf auf die Bühne. Ihre Wangen verfärben sich rot, sie lacht beschämt, greift in ihre Hosentasche und zieht ihr Smartphone hervor. Der Widerwille in ihrem Gesicht ist kaum zu übersehen, als sie das Telefon zögernd dem Mann gegenüber reicht. Dieser Mann, er nennt sich Jalin Alfar, wickelt das Mobiltelefon in ein Tuch ein und legt es in eine Glasvitrine. Er möchte es in eine zweite Vitrine teleportieren, erklärt er. Doch irgendetwas klappt nicht. Vielleicht ist das Telefon zu groß. Er nimmt es aus der Vitrine, wickelt es aus dem Tuch, dann wieder ein, zückt einen Hammer und schlägt zu. Fest. Immer wieder. Es knirscht. "Oh Gott", jammert die junge Frau. Jalin Alfar deutet auf eine kleine blaue Kiste am hinteren Bühnenrand. Die Frau hebt sie an, zieht die um die Kiste gewickelten Gummibänder herab, schiebt den Deckel nach oben - und holt ihr unbeschädigtes Smartphone heraus. Das Publikum tobt.

Die fünf Münchner Zauberkünstler Markus Laymann, Mistero, René Frotscher, Jalin Alfar und Frederic Schwedler haben sich auf der Bühne im Münchner Theater für Kinder in der Show "Hokuspokus" versammelt, um Tricks zu zeigen, die man so oder so ähnlich alle schon einmal gesehen hat. Und trotzdem bleibt die Reaktion immer dieselbe: Wie funktioniert das nur? Genauso erging es auch Craig Odell, dessen "magisches" Alter Ego unter dem Namen Mistero auftritt. Als Kind versuchte er sich wie so viele andere auch an einem Zauberkasten. Mit der Zeit wurde das langweilig. Die wirklich interessanten Tricks blieben ihm immer verborgen. Als er sich per Zufall vor zwei Jahren mit einem Zauberkünstler unterhielt, drückte er vor diesem sein Bedauern aus, dass es keine Organisationen gibt, die das "Zaubern" lehren. Doch das stimmte gar nicht, wie der 37-Jährige dann erfuhr. "Er hat mir vom Magischen Zirkel München erzählt." Der Magische Zirkel München ist einer der größten Ortszirkel des Magischen Zirkels von Deutschland (MZvD), dem Dachverband für Zauberkünstler. Jeder "Magier", der etwas auf seinen Ruf hält, ist dort Mitglied. So auch das wohl berühmteste deutsche Zauberkünstler-Duo Siegfried und Roy.

Frederic Schwedler hat mit fünf Jahren angefangen und einfach nicht mehr aufgehört. (Foto: Robert Haas)

Wie jedes ordentliche Vereinsmitglied musste auch Odell zuvor einige Monate als sogenannter Anwärter bestehen. Während dieser Zeit darf man einmal im Monat bei den wöchentlichen Vereinstreffen dabei sein und sollte jedes Mal etwas vorzaubern, bevor man dann eine fünfköpfige Jury von seinen Zauberkünsten überzeugen muss. Odell gesteht, dass er nach den ersten Treffen ziemlich eingeschüchtert war. "Da waren Leute, die das schon seit Jahrzehnten machen. Ich hatte keine Ahnung, was ich solchen Menschen vorzaubern sollte!" Mittlerweile hat er aber eine Zaubernummer auf die Beine gestellt, die wohl selbst Alteingesessene überzeugen dürfte: Er tritt zur selben Zeit gleich zweimal auf der Bühne auf.

Das sieht dann so aus, dass Odell neben einem Fernseher steht, der ein Video mit seiner "Zauberer"-Figur Mistero zeigt. Odell und Mistero unterhalten und streiten sich. Das eigentlich "Magische" ist aber der Moment, in dem Mistero aus dem Fernseher genau das Blatt in die Kamera hält, das sich wenige Minuten zuvor ein Mann aus dem Publikum live aus einem Kartenspiel ausgesucht hat. "Das ist alles eine Timingfrage", sagt Odell und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wie er das anstellt, verrät er freilich nicht. Nur so viel: "Eine gewisse Herausforderung gehört dazu. Es gibt keinen Zaubertrick ohne Risiko!"

Im Zwigespräch mit sich selbst: Craig Odell alias Mistero ist doppelt auf der Bühne zu sehen. (Foto: Robert Haas)

In der "Zauberwelt" gibt es neben dem MZvD auch die Zauberakademie Deutschland in Pullach. Für diesen Weg hat sich Frederic Schwedler entschieden, der als letzter Act in der Zaubershow auftrat. Auch bei ihm begann alles mit einem Zauberkasten, den er als fünfjähriger Bub geschenkt bekam. "Die meisten hören relativ schnell wieder damit auf; ich habe einfach weiter gemacht", sagt der 18-Jährige. Im Alter von zwölf Jahren besuchte er dann die ersten Seminare an der Zauberakademie. "Dort lernt man alle Disziplinen."

Während seiner Zauberkür spricht Schwedler nicht. Das ist auch überhaupt nicht notwendig; seine flinken Finger reichen vollkommen aus, um das Publikum in Staunen zu versetzen. Es scheint, als ob kleine Bälle aus dem Nichts in seiner Hand auftauchen, die er dann geschickt in die Luft wirft. Sie werden immer mehr, verändern ihre Farbe von weiß zu grün und verschwinden wieder in seiner Hand. An der Nummer feilt er seit drei Jahren.

Vor zwei Jahren wurde Schwedler Deutscher Jugendmeister. Damit darf er automatisch an den Deutschen Meisterschaften der Zauberkunst teilnehmen, die vom 25. bis 28. Mai in Saarbrücken stattfinden. Die anderen Künstler, die auf der "Hokuspokus"-Bühne standen, haben sich alle im vergangenen Sommer bei den Vorentscheidungen in Ebersberg qualifiziert. Wer aber am Ende die Jury überzeugt und damit im kommenden Jahr bei den Weltmeisterschaften in Korea antritt, wissen die Münchner Zauberer jedoch nicht - trotz ihrer magischen Fähigkeiten.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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