Zauberkönig:Scherz, lass nach

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Ob mit Kotzi, Spritz-Zigarette oder dem guten alten Schachterldeifi - wer seine Mitmenschen reinlegen will, ist beim "Zauberkönig" richtig.

Monika Goetsch

Ein jeder hat seine Vorlieben. So bevorzugt Erich Moser, 49, "alles, was rausspringt". Seine Mutter Sabina, 79, dagegen alles, "was spritzt". Die meisten Scherzartikel tun das eine oder andere, manche wirken auch ein wenig raffinierter, die Möglichkeiten, andere reinzulegen, sind unerschöpflich. Auf der Theke, in Regalen und in Kartons türmen sich darum im "Zauberkönig" an der Sonnenstraße die Scherzartikel in unbegreiflicher Fülle, und doch: Unterhält man sich mit den Mosers, muss man fürchten, die hohe Zeit der Reinlegekunst sei vorüber.

Im "Zauberkönig" der Mosers bekommt man ganzjährig Faschingsmasken. (Foto: Foto: ales)

Seit Jahrzehnten ist der "Zauberkönig", gegründet 1884, ein Geheimtipp unter Liebhabern dieser Kunst. Natürlich gibt es hier auch falsche Bärte, Jonglierbälle und einen Gummipopo zum Anschnallen, auch Artikel für Halloween sind dabei, aber die Bedürfnisse dafür versorgt ja inzwischen jeder Supermarkt.

Der "Zauberkönig" arbeitet darum antizyklisch. Die Saison für Verkleidungsartikel beginnt, wenn die großen Läden ihre Sortimente räumen: nach Halloween, nach Fasching verkaufen die Mosers die Screammaske besser den je, und wenn dieser Tage eine Kundin eine "kraushaarige Perücke, ich mein' so ein Negerperückerl, aber das sagt man ja nicht" verlangt, ist sie hier richtig. "Das kann man schon sagen", meint Sabina Moser entspannt.

Klassiker Bierpulver

Eigentlich ist sie ja in Rente, aber trotzdem sieht sie täglich nach dem Rechten; die Kunden würden sie auch vermissen, denn der heilige Ernst, mit dem Frau Moser ihr Sortiment feil bietet, hat einen ganz besonderen Charme. Für Scherzartikel wie den berühmten "Kotzi" haben Generationen von Schülern die Mosers aufgesucht - ein echter Klassiker: ein tellergroßes Gummistück, wohlplatziert in Küche oder Büro. Frau Mosers Mann pflegte Kotzi bisweilen unauffällig auf den Boden gleiten zu lassen, um erbost auszurufen: "Da hod oana gschpiem!"

Überhaupt: Frau Mosers Gatte ist eigentlich der ideale Kunde. Von seinen Bergwanderungen ist bekannt, dass er im Gipfelhaus Bierpulver in einen Krug Wasser schüttete und das schäumende Gesöff dürstenden Wanderern zum Trunk reichte, auch das ein Klassiker.

Aber was heißt schon Klassiker. Sabina Moser, die 1974 den Laden gekauft hat, und ihr Sohn, der ihn 1992 übernommen hat, sehen heute eine ganze Branche ihre Würde verlieren. Zärtlich streicht Frau Moser über eine in Gold gefasste Schatulle aus Karton. Ein paar Pralinen oder Seifenstücke könnten darin sein oder eine Flasche Kölnischwasser. Wenn allerdings Frau Moser "Öffnen Sie!" sagt, sollte man auf der Hut sein, prompt springt eine ziemlich mächtige Schlange aus dem Schachterl, "schauen Sie, noch richtig gut gemacht!"

Verbote ruinieren das Geschäft

Anders als ihre Nachfolger, die aus Gummi, Plastik, dünnem Draht und Folienpapier im Fernen Osten oder sonstwo gefertigt werden, ist diese Schlange von veritablem Gewicht und griffiger Proportion, Wertarbeit eben, so sehen es die Mosers auch: Es gab eine Zeit, da schufen deutsche Fabriken Scherzartikel, auf die man sich verlassen konnte. Und heute? "Heute funktionieren drei von zehn nicht", klagt Erich Moser, es sei schade drum, und schlimmer noch: Manches Gute werde gar nicht mehr gefertigt. Der kompakte "Schachterldeifi" etwa, ein schwarzes, felliges Ding, das man aufzog, damit es aus seiner Kiste sprang: verschwunden. Das Buch, das ratterte beim Aufschlagen, der Vogel, der aus einem Glas trank: hinfort.

Die Elektronik hat Einzug gehalten im Scherzartikelgeschäft - und ebenso der Ramsch. Ist eine elektronische "Fart Machine" mit Fernbedienung und fünfzehn verschiedenen Tönen dem guten alten Pupskissen wirklich überlegen? Moser sagt: "Das Herkömmliche ist besser." Aber nicht nur schlechte Materialien und billige Verarbeitung gefährden die Branche. Auch Verbote ruinieren das Geschäft.

Gut hundert Jahre lang, erzählt Sabina Moser, gab es diesen Partyknüller, den "Zucker mit Viechern". Löste man ihn in Kaffee oder Tee, schwamm eine Spinne obenauf, ein Maikäfer, eine Jungfrau. Inzwischen ist dieser Süßstoff verboten - man könnte sich schließlich daran verschlucken. Oder die Stinkbomben, die nun wirklich jeder kennt: auf dem Index. Wahrscheinlich, spekulieren die Mosers, wegen der Glasampullen, an denen man sich verletzen kann.

Sehr beliebt: Falsche Zähne und blutige Armstümpfe. (Foto: Foto: ales)

Die moderne Alternative: Man wirft ein Tütchen auf den Boden, tritt drauf, auf dass es platzt, und dann stinkt es zwar, da liegt aber eben auch die Tüte, für jeden sichtbar, mitten im Raum. Plump ist das, ohne Geheimnis. Und die Knaller, die richtigen, die derart ohrenbetäubend rumsen, dass noch der Dickfelligste zusammenzuckt? Ein Opfer der Behörden. Sabina Moser holt einen aus dem Hinterzimmer, spannt die Feder "wie bei einer Mausefalle", platziert das Ding unter einem Glas und bittet, dieses anzuheben, was bekanntermaßen nichts Gutes verheißt. Der Knall ist tatsächlich ohrenbetäubend.

"Früher hat man viel mehr lachen können"

Früher, sagt Erich Moser, haben manche mit Hilfe dieses Instrumentariums ihre Taschen im Freibad gesichert. Die Knaller von heute "tun nur Pluff!", sagt Sabina Moser. Man erschrickt kaum. Und der "Aschenbecherschreck", die glühende Spritzzigarette? Könnten der Nichtraucheroffensive zum Opfer fallen. Ja, meint Frau Moser ein wenig traurig: "Früher hat man viel mehr lachen können."

Immerhin: Die mit Pfeffer gefüllten Bonbons gibt es noch und das Messer, mit dem man sich theatralisch den letzten Stich versetzt, um die Zuschauer hernach lauthals auszulachen. Es gibt blutende Gummifinger und das Cognacglas, das nur so ausschaut, als sei es gefüllt. Und den Hundekothaufen gibt es sogar in zahlreicheren Varianten als früher, eine davon "recht originell", lobt Erich Moser, weil ein Schuhabdruck darin ist, ein anderer sehr weich und somit täuschend echt, Vorteil moderner Materialien.

Dennoch müssen die Mosers überlegen, wie es weiter gehen soll: Mit Sexscherzartikeln, solchen Zuckerperlhöschen oder eindeutig geformten Gummibärchen? Das mögen sie nicht. Schließlich habe man ja häufig Kinder im Laden. Vielleicht, meint Erich Moser, setze er künftig doch noch mehr auf die Zauberei. Auch da folge das Reinlegen einem System. Und das "Trickgeheimnis" zu hüten, darin sind die Mosers ja geübt. Gelüftete Geheimnisse sind schließlich das Unlustigste der Welt.

© SZ vom 31.10.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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