Wolf im Landkreis:Die Schafzüchter sind besorgt

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Brigitte Huber hat sich einen hohen Zaun angeschafft, um ihre Herde zu schützen. Ziegenhalterin Beatrix Bauer hält Hunde für gefährlicher. Die "Waldameisen" spielen weiterhin fröhlich im Freien

Von Benjamin Engel und Carolin Fries, Bad Tölz-Wolfratshausen

Nach der tödlichen Attacke eines Wolfs auf vier Schafe in Sankt Heinrich sind Schaf- und Ziegenhalter im Landkreis besorgt. "Jedes Mal, wenn ich zum Stall rausgehe, suche ich am Horizont, ob sich da etwas bewegt", sagt die Schafthalterin Brigitte Huber aus Ammerland, nur rund zwölf Kilometer von Sankt Heinrich entfernt. Um ihre 42 Tiere, darunter 18 Mutterschafe, macht sie sich große Sorgen. "Ich habe entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergriffen." Sie hat einen neuen, höheren Elektrozaun mit 120 Zentimetern vom Boden bis zur Spitze gekauft. Damit will sie den Bereich um den Schafstall besser schützen.

Wie sie ihre 500 bis 600 Meter vom Stall entfernten Weiden - dort grasen die Tiere im Sommer - sichern soll, überlegt Huber noch. Dort gebe es nur Unterstände für die Tiere, keinen festen Stall. Außerdem wäre es sehr teuer, ihre ein Hektar große Weide ganz mit einem besseren Elektrozaun zu schützen. Das Auftauchen eines Wolfs hält Huber für problematisch. Die Tiere stünden unter Naturschutz und würden sich wahrscheinlich stark vermehren.

Dass nun ein Wolf im Landkreis herumstreift, was eine DNA-Analyse zu den Rissen in St. Heinrich zweifelsfrei bestätigt hat, verunsichert auch die Eurasburger Bio-Ziegenzüchterin Beatrix Bauer. "Eigentlich dürfen die Tiere immer nach draußen in unseren Laufhof. Jetzt müssen sie nachts im Stall bleiben. Die Gefahr ist zu groß." Sie sieht die Ausbreitung von Wölfen mit "gemischten Gefühlen". Es seien faszinierende Tiere. Sie sei für den Arterhalt, doch im Oberland gibt es aus ihrer Sicht zu wenig Platz für den Beutegreifer. "Wir sind zu dicht besiedelt." Die Landwirtschaft werde schon durch Gewerbegebiete immer weiter zurückgedrängt. Viel problematischer für ihre Herde von 100 Mutterziegen auf dem Goassbauer-Hof hält sie aber freilaufende Hunde. Vor zwei Jahren habe einer ein Ziegenkitz gerissen. Bei einer möglichen Wolf-Attacke fürchtet Bauer vor allem den psychischen Schaden bei ihren Tieren. "Die Herde ist danach traumatisiert", sagt sie. Stünden die Ziegen unter Schock, gäben sie womöglich keine Milch mehr. "Die Tiere sind sehr sensibel."

Mit seinen sechs Mutterschafen will der Eurasburger Konrad Bauer nicht in Panik verfallen. Von Mai an halte er seine Tiere auch nachts im Freien, sagt er. Für seine Weide werde er einen ganz normalen Schafzaun wie bisher auch verwenden. Er sieht wildernde Hunde als weit größeres Problem. Solche hätten schon Schafe gerissen, sagt er.

Vor einem bösen Wolf haben die "Waldameisen" in Ammerland am Starnberger See keine Angst. Die 18 Kinder des Waldkindergartens spielen fröhlich zwischen den Bäumen. Dass sich das Wildtier womöglich noch in dem Gebiet herumtreibt, stört Leiterin Bettina Calliari nach eigener Aussage nicht. "Mein Mann ist Schafzüchter und hat eines seiner Schafe in jener Nacht Anfang April nicht weit entfernt von Sankt Heinrich verloren", erzählt sie. Womöglich an den Wolf. Die Familie lebt in Antdorf, das tote Lamm haben sie weder gemeldet noch untersuchen lassen. Dass der Wolf Schafe reißt "bedeutet, er verhält sich wie ein gewöhnlicher Wolf - und meidet den Menschen", sagt sie Von den Eltern habe es jedenfalls nicht eine besorgte Nachfrage gegeben, sagt Calliari.

In Deutschland steht der Wolf unter Naturschutz - bis auf Sachsen, wo die Tiere dem Jagdrecht mit ganzjähriger Schonzeitunterliegen. Ihn zu erlegen, ist eine Straftat, der Abschuss kann nur in Ausnahmefällen angeordnet werden, etwa bei auffällig aggressiven Tieren. Während im Landkreis Bauern, Almbauern und Jäger eine wolfsfreie Zone fordern, ist der Abschuss für den Bund Naturschutz keine Option. Kreisvorsitzender Friedl Krönauer wirbt in einer Mitteilung vom Dienstag für eine sachliche Diskussion. Aus seiner Sicht ist eine Koexistenz von Wolf und Schaf- oder Ziegenhaltung möglich. Die Beutegreifer seien wichtiger Bestandteil der Biodiversität. Sie trügen dazu bei, Ökosysteme im natürlichen Gleichgewicht zu halten. So wirkten sie bei großen Schwarzwildbeständen als Regulativ. Wo es bereits Wölfe gebe, entwickle sich junger Wald deutlich besser. Für Nutztiere gebe es wirkungsvollen Herdenschutz. Die Staatsregierung müsse dafür Geld bereitstellen, fordert Krönauer.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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