Übernehmen Sie:Loslassen im Vertrauen auf die nächste Generation

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Die Nachfolge in kleinen und mittleren Betrieben zu regeln ist oft nicht einfach. Bei den Firmen Graf in Münsing und Sporer in Geretsried ist alles gut gegangen. Die Gründer und ihre Kinder erklären, wie sie das gemacht haben

Von Benjamin Engel, Münsing/Geretsried

In jedem Unternehmen stellt sich irgendwann die Frage der Nachfolge an der Spitze. Geklärt werden muss sie in den klein- und mittelständischen Betrieben im Landkreis meist in der Familie. Der 31-jährige Tobias Graf vom gleichnamigen Mazda-Autohaus in Münsing kennt Betriebe, in denen der Übergang auf die junge Generation nicht funktioniert hat. "Meistens ist das Problem, dass der Senior nicht loslassen kann. Die Jungen können eigene Ideen nicht umsetzen und verlieren die Lust", sagt er. Umso froher ist er, dass sein Vater Sebastian Graf ihm immer freie Hand gelassen hat.

Auf den Tag genau 35 Jahre nach der Gründung des Betriebs hat der 60-jährige Sebastian Graf die Geschäfte am 2. August dieses Jahres vollständig an sein Sohn übergeben. Wie der Unternehmensgründer sagt, arbeitet er noch mit und unterstützt seinen Sohn. Entscheidungen treffe er aber nicht mehr. "Ich fühle mich wohl dabei. Der Druck ist weg", sagt er. Die Übergabe sei ihm leicht gefallen. "Ich weiß, wie es weitergeht und wer es macht." Graf senior hat viel Vertrauen in seinen Sohn. Es hat sich in einem langem Prozess aufgebaut. Vor zehn Jahren, als Tobias die Prüfung zum Kfz-Meister absolviert hatte, trat er in den väterlichen Betrieb ein. 2009 wurde er Werkstattleiter. 2012 machte ihn sein Vater zum gemeinsamen Geschäftsführer. 2014 wurde Tobias Mitinhaber mit einem 50-Prozent-Anteil.

Mit seinem Sohn habe er neue Ideen diskutiert und ihn in selbständig Entscheidungen fällen lassen. Das sei wichtig. "Ein junger Mensch braucht die Zeit zum Lernen", sagt er. Wenn es zu Unstimmigkeiten kam - was im Betrieb nicht ausbleibt - habe er noch an demselben Tag das Gespräch gesucht. "Für mich ist wichtig, mit den Problemen nicht abends ins Bett zu gehen." Schließlich gehe es immer darum, den Spaß am Beruf nicht zu verlieren.

Damit schließt sich der Kreis zur Gründung des Betriebs im Jahr 1982. "Das Geschäft war nie Arbeit, sondern Hobby", sagt Sebastian Graf. Der Kfz-Meister hatte bei BMW gearbeitet. Dass er sich selbständig machen wollte, sei von Anfang an klar gewesen. "Mit 25 habe ich in Münsing in einer Doppelgarage an der Bachstraße angefangen." Mit einem Startkapital von 3000 Mark legte er los. Mehr als ein Liegebrett und einen Wagenheber hatte er nicht. "Ich war wie der Maulwurf am Boden."

Stichtag Anfang August: Genau auf den Tag 35 Jahre nach der Gründung hat Sebastian Graf (l.) die alleinige Geschäftsleitung im Autohaus Graf an seinen Sohn Tobias Graf übergeben. Der 60-Jährige will kürzertreten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Zwei Jahre später bezog er das erste Werkstattgebäude am heutigen Standort. Er baute an und erweiterte bis zu den Ausstellungsräumen im ersten Stock. Nur vier Jahre später baute Sebastian Graf eine Waschanlage samt Reifenlager im Tiefgeschoss am Gewerbegebiet "Am Schlichtfeld". Erst vor drei Jahren erweiterte er das Autohaus um zwei Büroräume. "So hatten mein Sohn und ich gleich große Büros."

Wie viel Arbeit für den eigenen Betrieb erforderlich sei, übersähen viele, sagt Sebastian Graf. Er sei lange allein verantwortlich gewesen. Die ersten 20 bis 25 Jahre habe er praktisch keinen Urlaub gemacht, meist nur für ein verlängertes Wochenende. Dass seine Kinder den Betrieb übernehmen sollten, habe er nie verlangt. Die Tochter habe nie Interesse gehabt. "Es hat keinen Sinn, etwas aufzuoktroyieren, was sie nicht wollen." Ganz bewusst hat Tobias Graf in einem anderen Unternehmen gelernt - als Kfz-Mechatroniker bei BMW in Starnberg. Später wechselte er zu einem Händlerkollegen nach Herrsching und machte die Meisterprüfung. Das sei der richtige Weg gewesen. Denn von außen bringe man andere Sichtweisen mit. "Es fällt auf, was man ändern möchte." Im Betrieb habe ihm sein Vater nie reingeredet, sagt Graf junior. "Jeder hatte am Anfang seinen Bereich. Ich war im Service, der Vater im Verkauf und der Geschäftsführung." Zudem habe er sich einen Zehn-Jahres-Plan gemacht, genau aufgeschrieben, wie weit er wann sein möchte und wie er dorthin komme. "Das hat funktioniert". Weil Hersteller oder Banken manchmal Druck ausübten, wenn die Nachfolgefrage nicht geklärt sei, hätten sie das frühzeitig geregelt. Nur Kleinigkeiten hat Tobias Graf im Betrieb verändert.

In der Werkstatt hat er einen elektronischen Terminplaner eingeführt. Zur Unterhaltung der Kunden gibt es nun im Showroom Fernsehen und WLAN in der Wartezone. Die heutige Größe des Betriebs mit 18 Mitarbeitern hält Tobias Graf für genau passend. So könne das Verhältnis persönlich bleiben.

Dass ihre Eltern sie unterstützen, ist auch für Franziska Sporer ein wichtiger Rückhalt. Die 34-Jährige hat zusammen mit ihrem Mann Moritz Sporer-Kirsch, 33, zum 1. Oktober die Ski- und Tennisschule ihres Vaters in Geretsried übernommen. Geplant hatte sie das nicht. Die junge Frau studierte Veranstaltungsmanagement und probierte sich in München in verschiedenen Jobs aus. Unter anderem war sie stellvertretende Geschäftsführerin in einem Gastbetrieb. Dann lernte sie ihren heutigen Mann kennen. "Wir wollten unbedingt gemeinsam arbeiten. Weil er selbst begeisterter Tennisspieler ist, kam die Idee mit der Übernahme auf", erzählt sie. Vor sechs Jahren stieg sie mit ihrem Mann in den elterlichen Betrieb ein. Vor vier Jahren wurde festgelegt, dass sie und ihr Mann die Schule zum 1. Oktober 2017 übernehmen sollten. Für Fred Sporer ist das der richtige Zeitpunkt. "Ich wollte nie in einem Alter übergeben, in dem ich einfach nicht mehr kann. Noch bin ich leistungsfähig und kann helfen, solange das gewünscht ist", sagt er. Der staatlich geprüfte Skilehrer wird weiter in der Skischule aktiv sein. Seine Frau Tina bleibt im Büro. Doch die Entscheidungen solle die junge Generation treffen, sagt Sporer.

Sportbegeistert war Fred Sporer schon immer. Mit 16 Jahren begann er für Wolfratshauser und Münchner Skischulen Kurse zu geben. Dann studierte er in München Sport und Kunst auf Lehramt. Weil er glaubte, seine Ideen im Schulunterricht nicht umsetzen zu können, wurde er freiberuflicher Sportlehrer und gründete schließlich 1977 seine Ski- und Tennisschule in Geretsried. Seine Arbeit bewegt sich im Rhythmus der Jahreszeiten: Im Sommer gibt er Tenniskurse in Kooperation mit dem MTV Berg. Der Herbst ist für die Skigymnastik reserviert. Im Winter kommen die Skikurse - sieben Tage die Woche ist er dann unterwegs. Sporer hat auch im Lehrteam des Deutschen Alpenvereins und des Deutschen Skilehrerverbands gearbeitet.

Die Jugend rückt nach (von links): Franziska Sporer und ihr Mann Moritz Sporer-Kirsch übernehmen die Geretsrieder Ski- und Tennisschule von Tina und Fred Sporer. Damit bleibt der Betrieb in Familienhand. (Foto: Privat)

In der Skischule arbeiten rund 40 Skilehrer. Sie geben für Kinder ab vier Jahren bis hin zu Jugendlichen und Erwachsenen Kurse am Brauneck und an der Christlum in Achenkirch. Dass er einen festen Lehrerstamm hat, ist Sporer wichtig. "Bindung ist heute entscheidend. Wenn ich einen festen Lehrerstamm habe, bekomme ich auch die Kundenbindung." Da die Schule keinen festen Standort hat, sondern die Skigebiete mit Bussen - sie halten an festen Zusteigepunkten in der Region - anfährt, gibt es viel zu organisieren. "Bei uns verschwimmen die Grenzen zwischen Beruf und Privatem", sagt Fred Sporer. Manchmal klingele das Telefon um sechs Uhr in der Früh, und der letzte Anruf komme oft erst um 22 Uhr.

Zusätzlich zur Sportschule hat sich Franziska Sporer ein zweites Standbein aufgebaut. Sie ist Sängerin und wird häufig für Hochzeiten gebucht. Mit ihrem Mann hat sie auch noch Ideen in den elterlichen Betrieb eingebracht. Moritz Sporer-Kirsch wird im Winter in der Tennishalle Hahn in Wolfratshausen Kurse geben. Die gab es bei den Sporers bisher nur im Sommer. In die Sportschule der Eltern eingestiegen zu sein, hält Franziska Sporer für die richtige Entscheidung. "Wir sind da reingewachsen, haben alles gemeinsam besprochen und teilen uns alles auf." Das Verhältnis zwischen den Generationen stimmt.

© SZ vom 10.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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