Toni Hofreiter im Interview:"Klugerweise ortsnah"

Lesezeit: 5 min

Grünen-Bundestagsabgeordneter Toni Hofreiter plädiert für eine eng um Schäftlarn führende Umgehungsstraße, weil sie wirksamer und kostengünstiger wäre. Außerdem rät er zu einer moderierten Bürgerbeteiligung. Letzter Teil der Serie zur Schäftlarner Umfahrung.

Von Ingrid Hügenell und Isabel Meixner

Die Staatsstraße durch Hohenschäftlarn ist steil und kurvig - und für Toni Hofreiter deshalb eine Ausnahmefall, in dem eine Umfahrung gerechtfertigt ist. (Foto: Hartmut Pöstges)

Toni Hofreiter ist Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags. Der promovierte Biologe vertritt den Landkreis München für die Grünen im Deutschen Bundestag und lehnt den Bau neuer Straßen eigentlich ab. Bei Schäftlarn, wo der 43-Jährige sich recht gut auskennt, würde er aber eine Ausnahme machen. Um Konflikte um die Trasse nicht eskalieren zu lassen, empfiehlt er eine von einem Fachmann moderierte Bürgerbeteiligung. Während des Interviews nutzt Hofreiter immer wieder Karten, um seine Ausführungen zu verdeutlichen.

SZ: Ihrer Meinung nach sind Straßenbauprojekte nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Ist die Schäftlarner Umfahrung so ein Ausnahmefall?

Toni Hofreiter: Das ist unter Umständen genau so eine Ausnahme. Die Strecke durch den Ort ist ja eng, sie ist kurvig, sie ist relativ steil. Wenn da ein Vierzig-Tonner durchfährt, ist das natürlich ein Problem.

Was heißt unter Umständen?

Ach, ich bin bei Umgehungsstraßen immer sehr, sehr vorsichtig. Wir haben sehr viele Straßen, wir haben ein sehr dichtes Netz inzwischen, das verursacht enorme Kosten. Straßen verbrauchen ja nicht nur Natur und Fläche, sondern sie kosten uns auch gigantisch viel Geld im Unterhalt. Schon jetzt wird das ganze Straßennetz auf Verschleiß gefahren. Man sollte genau hinschauen, bevor man was Neues baut.

Wenn Sie genau auf Schäftlarn schauen, finden Sie eine andere Möglichkeit, wie man den Ort entlasten könnte?

Eine Alternative zum Neubau ist immer eine Sperrung für den Lkw-Verkehr. Dann braucht man eine alternative Strecke. Eine Alternative könnte das hier sein (zeigt auf der Karte die Mörlbacher Straße zwischen Berg und Icking), aber da ist natürlich keine Autobahnausfahrt. Man hat also über diese ganze Strecke hier zwischen München und Wolfratshausen keine andere Möglichkeit, quer zu fahren. Damit wird eine Sperrung für Lkw ganz schwierig.

Sie haben auch gesagt, erst wenn der Verkehr sich mindestens halbiere, bringe eine Umfahrung den Menschen tatsächlich Erleichterung. Hohenschäftlarn hat etwa 50 bis 60 Prozent Ziel- und Quellverkehr. Ist es dann überhaupt zu schaffen, den Verkehr im Ort zu halbieren?

In Schäftlarn geht es ja ganz stark um die Lkw. Und die haben einen höheren Durchgangsanteil. Es gibt auch Orte, bei denen man feststellen muss, dass der meiste Schwerverkehr ins eigene Industriegebiet fährt.

Schäftlarn hat eher das Problem, dass der Schwerlastverkehr von den großen Betrieben in Pullach und Höllriegelskreuth verursacht wird, weshalb oft die überörtliche Lösung mit dem Tunnel unter dem Forstenrieder Park ins Spiel gebracht wird.

Ja, aber das ist eine Tunnellösung.

Das heißt, sie ist unrealistisch? Warum?

Die Kosten! Das muss ja jemand finanzieren.

Gibt es Fälle, in denen solche überörtlichen Lösungen gebaut wurden?

Ja, die gibt's, aber das dauert sehr lange, und die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich dazu kommt, ist eher gering.

Aber die Kosten würden sich doch auf die beteiligten Gemeinden verteilen.

160 oder 200 Millionen Euro, das ist eine Menge. Und außerdem haben Sie irre hohe Betriebskosten dazu. Ein Tunnel verursacht dauerhaft hohe Kosten.

W äre nicht trotzdem die überörtliche Lösung die nachhaltigere?

Was heißt nachhaltig? Wir haben hohe Baukosten, hohe Unterhaltskosten, hohe Betriebskosten und keinen, der's zahlen will. Im Grunde müsste es das Land Bayern übernehmen, denn es handelt sich um eine Staatsstraße. Aber das im Verhältnis kleinere Projekt, die ortsnahe Trasse, ist im Straßenausbauplan auch nur in der Reserve gelandet, selbst dafür würde de facto vor 2020 nicht mit den Planungen begonnen. Wenn man annimmt, die Tunnellösung würde 200 Millionen kosten, dann würde noch mal 20 Jahre diskutiert, oder länger, bevor etwas passiert.

Selbst wenn sich die betroffenen Gemeinden einigen würden, wäre der Tunnel also unrealistisch?

Er würde alle Gemeindehaushalte überfordern. Das müsste der Freistaat machen, und dann kann man sich denken, wo man in der Prioritätenliste landet.

Wohin baut man also die Umfahrung?

Die Umfahrung baut man klugerweise ortsnah zu Schäftlarn, vor allem, wenn man sie in einem realistischen Zeitrahmen haben will. Das ist natürlich unschön für die Landwirte, weil es deren Flur durchschneidet.

Toni Hofreiter (Grüne) ist Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags. (Foto: Claus Schunk)

Warum die ortsnahe Trasse?

Aus verschiedenen Gründen: Insgesamt doch weniger Flächenverbrauch, niedrigere Kosten, auch niedrigere Unterhaltskosten und vor allem eine höhere Wirksamkeit. Denn je näher eine Umfahrung an der alten Trasse liegt, um so besser wird sie angenommen. Weiträumige Umgehungen funktionieren in der Regel nicht, weil sie von den Autofahrern nicht angenommen werden.

Die Autofahrer haben das Gefühl, sie müssten einen viel zu großen Umweg fahren.

Ganz genau.

Das würde die Trasse am Wald entlang disqualifizieren.

Viele sagen, wir legen die Umfahrung so wie hier weit nach draußen, je weiter desto besser, aber es ist unter Umständen weitaus klüger, die Variante B zu bauen, oder sogar A, die ist kürzer. Die könnte man tiefer legen und darüber eine Landschaftsbrücke anlegen.

Was ist das?

Man legt die Straße in einen Einschnitt und baut eine 50 bis 80 Meter breite begrünte Brücke über die Straße, mit einem Fußweg, einem Weg für den Traktor, wo auch Viecher drüber laufen können, dann hat das nicht so eine stark trennende Wirkung in der Flur. Man nimmt die Kosten, die man bei der möglichst kurzen Trasse spart, und setzt sie für ein oder zwei Landschaftsbrücken ein.

Die Landwirte müssten sich aber auf jeden Fall von Flächen trennen.

Das müssten sie auch bei der waldnahen Trasse. Denn die Lieblingstrasse der Bauern durch den Wald wird sicher nicht kommen. Das ist ja alles Bannwald. Je kürzer die Trasse, desto geringer der Flächenverbrauch und desto kostengünstiger ist sie.

Nach welchen Kriterien wird entschieden, welche Trasse gebaut wird?

Wichtige Kriterien sind: Wie gut wird die Umfahrung angenommen, der Flächenverbrauch, natürlich die Kosten, ganz wichtig ist auch die Zerschneidungswirkung. Im Grunde kann das die Kommune bei kommunaler Sonderbaulast sogar sehr weitgehend selbst entscheiden.

Also entscheiden die Präferenzen des Bürgermeisters und der Gemeinderatsmehrheit.

Im Idealfall mit guter Bürgerbeteiligung. Solche Umgehungsstraßen haben natürlich das Potential, dass sich die Kommunen total zerstreiten. Es ist gar nicht einfach, so was klug zu moderieren.

Es gibt ja in Schäftlarn schon unterschiedliche Standpunkte, die man zusammenbringen müsste. Wie geht das?

Am besten holt man sich jemanden in den Ort, der das professionell kann. Es gibt Büros, die sich darauf spezialisiert haben, solche Konflikte zu moderieren. Man muss ehrlicherweise sagen, die Interessensgegensätze sind in der Regel groß. Wenn man eine Straße bauen will, muss sie irgendwo hin. Das heißt, irgendwer verliert. Es werden sich nicht alle Konflikte wegmoderieren lassen. Auch den Leuten, die die Umgehungsstraße sofort wollen, muss klar sein, es gibt Kostenbegrenzungen, es gibt Flächenbegrenzungen. Flächen sind ein sehr knappes und sehr wertvolles Gut in unserem dicht besiedelten Land, auch Ackerland ist begrenzt und sehr wertvoll.

Worauf müsste ein Moderator achten?

Darauf, dass nicht nur die zu Wort kommen, die immer zu Wort kommen, also die Lauten, die Aggressiven, die, die jetzt mal sagen, was sie schon immer sagen wollten und so weiter. Sonst hat man eine Mischung aus Aggression und Männern, die glauben, genau Bescheid zu wissen, wie Probleme zu lösen sind und die Probleme anderer souverän - oder unsouverän - ignorieren.

Was würde das kosten?

Etwa 20 000 Euro, das ist vergleichsweise wenig, wenn es dadurch gelingt, den Konflikt im Ort nicht völlig eskalieren zu lassen. Man braucht einen guten Moderator, sonst ist es rausgeschmissenes Geld, aber in der Regel lohnt es sich. In einem guten, moderierten Bürgerbeteiligungsprozess kann man auch überprüfen, wie man die Straße am besten baut, etwa mit Landschaftsbrücken. Das Straßenbauamt baut die gar nicht so gerne und gibt oft viel zu hohe Kosten dafür an.

Wie lange würde so ein Bürgerbeteiligungsprozess dauern?

Wenn man das zügig und vernünftig macht, kann man es in einem halben Jahr hinkriegen.

© SZ vom 08.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: