Schwierige Zukunft, moderne Konzepte:Ein Masterplan für Benediktbeuern

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Pater Reinhard Gesing übernimmt die Leitung des Klosters. Er glaubt fest an die Unterstützung junger Menschen

Interview von Ingrid Hügenell

Pater Reinhard Gesing übernimmt am 15. August das Amt des Direktors des Klosters Benediktbeuern von Pater Claudius Amann. Der 53-Jährige ist seit 2010 Zweiter Provinzialvikar, er leitet das Institut für Salesianische Spiritualität im Kloster und ist Beauftragter für die Don-Bosco-Familie.

SZ: Pater Gesing, wissen Sie, was als Klosterdirektor alles auf Sie zukommt?

Reinhard Gesing: Nun, es ist so, dass ich schon seit zehn Jahren in Benediktbeuern lebe und mitarbeite, manches ist mir vertraut. Aber es gibt auch viel Neues. Viele Dinge haben mit Außenvertretung zu tun, viele Strukturen und Menschen in der Region muss ich erst noch tiefer kennenlernen.

Auch im politischen Raum?

Das wird sicherlich die Aufgabe sein, nach meinem Amtsantritt am 15. August die Verantwortungsträger kennenzulernen, natürlich in Benediktbeuern und im Landkreis, aber auch darüber hinaus.

Ist auch viel Repräsentation dabei?

Ja, natürlich. Das ist für mich eine neue Aufgabe. Von dem, der an der Spitze steht, wird natürlich auch erwartet, dass er das Kloster nach außen hin repräsentiert.

Kann man sich darauf vorbereiten?

Ich glaube, man muss sich nicht auf alles groß vorbereiten. Die Menschen sind offen, das ist meine Erfahrung. Manche haben schon signalisiert, dass sie sich mit mir treffen wollen. Wenn man ihnen auf natürlich Weise begegnet, wird die Begegnung auch gelingen. Ich will ja nicht parteipolitisch etwas bestimmen, sondern Zusammenarbeit und Vernetzung fördern. Da finden wir überall offene Türen.

Im Kloster leben immer weniger Mitbrüder, nur noch 35, und die Hälfte davon ist im Rentenalter. Wie gehen Sie damit um?

Natürlich gehört auch die Leitung der Ordensgemeinschaft zu meinen Aufgaben. Wir schauen sehr, was die Situation der Einzelnen ist. Manche sind sehr rüstig, andere pflegebedürftig.

Wie alt ist der jüngste Mitbruder?

Anfang 40.

Sind denn überhaupt noch junge Männer im Noviziat?

Zurzeit sind zwei im Noviziat und einer bereitet sich darauf vor. Die meisten kommen nach ihrer Ausbildung, die Zeit, als man ganz jung ins Noviziat ging, ist vorbei.

Sie selbst sind direkt nach dem Abitur ins Noviziat gegangen.

Bei uns war das noch üblich. Wir empfehlen heute jungen Männern, die direkt nach der Schule kommen, erst noch ein Freiwilliges Soziales Jahr zu machen oder ein Volontariat, damit jemand auch schon Lebenserfahrung hat, einfach, damit seine Lebensentscheidung auf einer guten Basis steht.

Haben Sie Ihre Entscheidung bereut?

Nein.

Aber Zweifel hat man manchmal.

Natürlich. Der Ausbildungsweg dauert Jahre, bis es zur Priesterweihe kommt. Das waren zu meiner Zeit zehn Jahre mit Studium der Sozialpädagogik und der Theologie, zudem Praktikumsjahre. Natürlich gibt es da auch Krisen, Konflikte, andere Visionen beruflicher oder familiärer Art. Man muss die Entscheidung immer wieder neu treffen. Ich bin dankbar für diese Zeit des Ringens, weil sie mir geholfen hat, dass meine Entscheidung tiefer geworden ist.

Kloster Benediktbeuern steht vor einer ungewissen Zukunft: Nur noch 35 Brüder leben dort, die wirtschaftliche Lage ist schwierig. (Foto: Manfred Neubauer)

Geht Ihnen eine eigene Familie ab?

Es gab Situationen, in denen ich sie vermisst habe, vor allem auch, als meine Geschwister geheiratet und Kinder bekommen haben. Da habe ich gespürt, dass ich mich für einen anderen Lebensentwurf entschieden habe. Ich habe in der Ordensgemeinschaft viel an Familiarität erlebt, auch Freundschaft, und darüber hinaus Erfüllung in meinem pastoralen Wirken. So habe ich auch den Reichtum meiner Berufung erfahren. Ich bin nach wie vor mit meiner Berufung sehr froh und zufrieden.

Das Kloster und der Orden befinden sich wirtschaftlich in einer schwierigen Lage. Ist es in dieser Situation noch wichtiger als früher, dass man gute Kontakte hat?

Ja, da merke ich eine Veränderung in den letzten Jahrzehnten. Früher war es sicherlich mehr so: Wir machen das Unsere, die anderen machen das ihre. Die Zusammenarbeit, die Vernetzung hat eine ganz große Bedeutung bekommen, sowohl in der Kirche, wie auch in der Gesellschaft. Ich finde das sehr positiv, das entspricht unserer christlichen Grundhaltung, mit allen Menschen guten Willens zusammenzuarbeiten. Wir Salesianer haben das in unserer Tradition schon von Don Bosco gelernt. Das Wichtige ist, dass unser Wirken für die jungen Menschen fruchtbar wird. Wer immer uns dabei unterstützen möchte, von wem immer wir etwas lernen können, mit dem wollen wir auch zusammenarbeiten.

Ist das die salesianische Spiritualität?

Das ist zumindest ein Moment der salesianischen Spiritualität. Dieses Offensein für die Zeichen der Zeit ist für uns als Kirche wichtig, das lernen wir sehr stark auch von Don Bosco. Er war sehr offen für das, was sich in seinem Umfeld abgespielt hat und hat mit allen zusammengearbeitet, die ihm geholfen haben, etwas für bedürftige junge Menschen zu tun.

Was gehört noch dazu?

Das erste ist ein optimistisches Gottes- und Menschenbild, das prägt uns sehr. Don Bosco glaubte an einen guten Kern in jedem jungen Menschen, und es ist Aufgabe der Erzieher, ihnen zu helfen, diesen guten Kern zu entfalten. Auch in den Schwierigsten, Problematischsten, steckt dieser gute Kern. Optimismus, Kreativität, Flexibilität gehören auch dazu. Don Bosco stellte sich Ordensleute vor, die sehr zupackend sind. Das Bild vom Salesianer ist ja das vom Mann mit den aufgekrempelten Ärmeln (lacht). Was uns sicherlich als Spezifikum gegeben ist, ist die Sendung zu den jungen Menschen, besonders zu denen, die benachteiligt sind. Wir glauben, es wird uns so lange geben, wie wir diese Sendung leben.

Gibt es deshalb Programme wie die des Zentrums für Umwelt und Kultur für straffällig gewordene junge Leute?

Ja, das Projekt "Tagwerk" beeindruckt mich sehr, wie die Mitwirkenden sagen, wir wollen jungen Menschen, bei denen etwas schief gelaufen ist, durch die Erfahrung von Schöpfung und Natur helfen, neue Perspektiven in ihrem Leben zu gewinnen.

Funktioniert der optimistische Ansatz?

Unsere Erfahrung nach ist die Pädagogik Don Boscos nach wie vor sehr aktuell und wirkt sehr fruchtbar. Man kann bei jungen Menschen nur dann etwas erreichen, wenn sie Wertschätzung erfahren. Don Bosco war überzeugt: Pädagogik ist eine Sache des Herzens, und wo junge Menschen das spüren, öffnen sich die meisten. Man muss manchmal Geduld haben, aber dann kann etwas wachsen. Natürlich gibt es auch die Erfahrung, dass man scheitert, an Grenzen kommt, aber bei sehr, sehr vielen findet man auf diese Weise einen Zugang.

Das Kloster wirkt auch als geistliches Zentrum in der Region.

Wir sind ein geistliches Zentrum und wollen es noch mehr werden. Wir wollen besonders ein geistliches Zentrum sein für junge Menschen. Die jungen Menschen verändern sich auch sehr stark, und so müssen auch wir uns verändern und immer wieder neue Antworten und neue Zugangsweisen finden.

Was können Sie als Klosterdirektor dazu beitragen?

Meine Aufgabe ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die nötigen Strukturen und die Bedingungen da sind und dass die entsprechenden Angebote gemacht werden, damit junge Menschen sich angenommen fühlen und gerne hier sind. Ich hoffe, dass ich auch immer wieder die Zeit finde für konkrete Begegnungen.

Wo sehen Sie als Klosterdirektor Ihre Hauptaufgabe? Gibt es bestimmte Schwerpunkte, die Sie setzen wollen?

Ein Herzensanliegen, das ich habe, ist die Begleitung der Ordensgemeinschaft. Die Veränderungen der vergangenen Jahre haben ja auch mit uns als Ordensgemeinschaft etwas gemacht.

Was meinen Sie?

Da war auch Trauerarbeit nötig. Dinge loszulassen wie die Philosophisch-Theologische Hochschule, da stellt sich auch die Frage, wer sind wir, was ist unsere Identität. Ich glaube, ich kann sagen, dass wir sehr hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Dieser Prozess in die Zukunft wird weitergehen. Den möchte ich gerne begleiten.

Wie wirkt es sich aus, wenn Mitbrüder weggehen wie Pater Norbert Wolff, der aus dem Orden ausgeschieden ist, um zu heiraten, oder wie Pater Stefan Oster, der Bischof von Passau wurde? Die fehlen doch sicher?

Ja, natürlich. Auch das war Trauerarbeit, die wir zu leisten hatten, in beiden Fällen. Beide haben ein Loch hinterlassen. Sie sind ja wirklich auch Brüder, die ein wichtiges Stück des Wegs mit uns gegangen sind. Da wächst etwas untereinander. In beiden Fällen hieß es darum auch, Menschen loszulassen. Was Bischof Oster angeht, freuen wir uns, dass er in Passau positiv wirkt und als Hirte für die Menschen da ist.

Aber er war hier natürlich auch eine prägende Persönlichkeit.

Eine prägende Persönlichkeit und eine tragende Säule, ja. Insofern fehlt er uns. Aber man muss auch Ja sagen zu dieser Situation. Es hat keinen Sinn, am Früheren festzukleben, das ist auch nicht christlich. Es gilt, die getroffenen Entscheidungen so anzunehmen.

Mit dem Schwund der Mitbrüder hängt die wirtschaftliche Lage ganz eng zusammen. Pater Claudius Amann hat vor zwölf Jahren, als er Klosterdirektor wurde, gesagt, das Kloster müsse sich auf das Kerngeschäft besinnen. Was ist denn das Kerngeschäft?

Das Kerngeschäft ist, dass wir hier ein Ort für junge Menschen sein wollen. Dass wir Angebote machen wollen, die jungen Menschen Hilfe auf ihrem Lebens- und Glaubensweg geben. Junge Menschen zu begleiten, das ist unsere zentrale Sendung. Alles andere muss letztlich dem dienen. Das ist ja auch das zentrale Moment des Masterplans, um das Kloster Benediktbeuern immer wieder in dieser Ausrichtung fit zu machen. Diesen Prozess zu begleiten, zu animieren, in Gang zu halten zusammen mit den Mitbrüdern und Mitarbeitern, das gehört zu meinen Hauptaufgaben.

Haben Sie die Hoffnung, dass es wieder mehr Mitbrüder werden?

Ich habe die Hoffnung und bin überzeugt, dass es auch künftig junge Leute gibt, die sich für eine Ordensberufung entscheiden. Es ist für Deutschland und Westeuropa aber nicht so wahrscheinlich, dass es nochmal die Zahlen sein werden, wie wir sie aus den 50er und 60er Jahren kennen, schon deshalb nicht, weil es weniger junge Menschen und weniger Katholiken gibt.

Können Sie das beeinflussen?

Was wir tun können, ist, ein wirklich authentisches Ordensleben zu leben. Papst Franziskus sagt, Kirche wächst nur durch Anziehung, das gilt auch für die Orden. Wir können Tag für Tag unsere Berufung im Sinne des Evangeliums und Don Boscos leben. Wir können Berufungen aber nicht machen. Wir können sie fördern, sie begleiten, junge Leute ermutigen mit viel Herzblut, und das wollen wir tun. Das andere müssen wir letztlich auch in Gottes Hand legen.

Pater Reinhard Gesing ging nach dem Abitur ins Noviziat. (Foto: Manfred Neubauer)

Wie stehen Sie persönlich zu Papst Franziskus?

Ich fühle mich von ihm tief angesprochen. Die Art zu denken, die Einfachheit, wie er seinen Dienst tut, der Mut, den er hat, seinen Finger in Wunden zu legen, die Kraft, die er ausstrahlt, was die Reform der Kirche im Geist des Evangeliums angeht, das spricht mich sehr an. Vieles davon ist uns Salesianern sehr verwandt. Er hat ja am 21. Juni in Turin das Grab Don Boscos besucht und daran erinnert, dass er aus einer salesianischen Pfarrei kommt, ein Jahr in einer salesianischen Schule war und in seiner Jugend durch einen Salesianer stark begleitet worden ist. Er ist von Don Bosco sehr geprägt. Aber wer etwas verändern will, der stößt wie dieser auch auf Widerstand.

Rechnen Sie auch mit Widerstand?

Veränderungen schaffen Unsicherheiten. Es gibt Menschen, die stark nach vorne drängen und andere, die eher bewahren wollen. Die Kunst und die Aufgabe ist es, beides zusammen zu führen, und von den einen zu lernen wie von den anderen.

Wo sehen Sie das Kloster in 25 Jahren?

Oh, das ist eine sehr schwere Frage. Wir können bei dem, was heute und morgen ansteht, das Beste tun, damit die Zukunft vorbereitet wird. Wir wollen den Masterplan entwickeln, der ist auf zehn, 15 Jahre ausgelegt, dann wird eine neue Generation weiter schauen. Ich bin überzeugt, dass auch in 25, 30 Jahren Benediktbeuern ein Ort sein wird, wo das Evangelium gelebt wird, wo Dienst an jungen Menschen getan wird, wo Menschen gerne hinkommen, wo der Geist Don Boscos lebendig sein wird.

Wo auch Salesianer sein werden?

Das hoffe ich, ja.

Welche Möglichkeiten haben Sie, um finanzielle Mittel zu generieren?

Wir werden weiterhin unsere Arbeitskraft einbringen. Die Einrichtungen, die von uns getragen werden, müssen so wirtschaften, dass sie sich finanzieren können. Wir wissen, dass in diesem komplexen Gebäude immer auch Maßnahmen anstehen, die über das Alltägliche hinausgehen. Und darum sind wir zum einen sehr dankbar, dass wir in den letzten Jahren immer auch Hilfe vom Staat bekommen haben, der hier seine Verantwortung wahrgenommen hat, und wir sind sehr dankbar und froh, dass die beiden Diözesen, Augsburg, zu der wir gehören und unsere Nachbardiözese München und Freising, bei der Vorstellung des Masterplans signalisiert haben, dass sie zu Benediktbeuern stehen. Auf diese Unterstützung werden wir angewiesen sein.

Kirchensteuer bekommt der Orden nicht?

Nein, das sind freiwillige Entscheidungen, die die Bistümer treffen. Was wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten auch gesehen haben, ist eine große Solidarität der Menschen, aus der Umgebung und darüber hinaus, die uns durch Spenden unterstützen. Der Verein Juwel zum Beispiel hat in den letzten Jahren bestimmte Dinge durch seine Unterstützung erst möglich gemacht. Das ist ein sehr wertvoller Beitrag.

Sie sind manchmal auch als Reiseführer tätig. Was zeigen Sie her im Kloster?

Ich zeige die klassischen Räume, das Modell des Klosters, den Kreuzgang, den Kapitelsaal, die Basilika, den Barocksaal. Aber ich zeige nicht nur die Räume, sondern versuche auch zu erzählen, was an Geschichte und Erfahrung dahinter steht. Die äußeren Räume sind mir wichtig, um einen inneren Raum zu eröffnen.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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