Schätze der Welt:"Etwas, das Substanz hat"

Lesezeit: 3 min

Der Ickinger Dokumentarfilmer Rüdiger Lorenz und seine Frau Faranak Djalali wollen dem IS etwas entgegensetzen: 1000 Jahre islamische Kultur - wie man sie etwa in Isfahan findet

interview Von Stephanie Schwaderer

Ihre Filme laufen kontinuierlich in mehr als 40 Ländern und erzählen von Orten, deren Namen die meisten Menschen noch nie gehört haben: Der Ickinger Dokumentarfilmer Rüdiger Lorenz und seine aus Iran stammende Frau Faranak Djalali haben im Auftrag des SWR Baden-Baden viele Stätten des in die Unesco-Liste aufgenommenen Weltkulturerbes porträtiert. Ihr jüngster Beitrag zur Reihe "Schätze der Welt" ist in der iranischen Oasenstadt Isfahan entstanden.

SZ: Würden Sie Ihren Nachbarn in Icking empfehlen, Urlaub in Iran zu machen?

Faranak Djalali: Jederzeit. Iran ist auf dem Weg, ein beliebtes Reiseland zu werden. Die Leute sind gastfreundlich, es gibt viel zu entdecken . . .

Rüdiger Lorenz: . . . und es ist sicher dort - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, die leider nicht mehr zugänglich sind.

Beim Stichwort Weltkulturerbe und Naher Osten hat man die Bilder von Palmyra, Nimrud und Hatra vor Augen. Was empfinden Sie beim Anblick von IS-Kämpfern, die mit Bulldozern und Presslufthämmern Kulturstätten vernichten?

Lorenz: Das ist furchtbar, das macht mich total fertig. Diese Stätten haben Jahrtausende überlebt. Nun werden sie ausradiert. Der fehlende Stolz auf die eigene Kultur ist meiner Ansicht nach einer der Auslöser des Wahnsinns, der sich dort gerade Bahn bricht. Diese Leute zerstören das kulturelle Fundament dieser Länder.

Djalali: Mit unseren Filmen wollen wir dem etwas entgegen setzen. Wir ermuntern die Leute, sich mehr auf ihre eigene Kultur zu besinnen. Bei vielen ernten wir zunächst Erstaunen, wenn wir mit unseren Kameras ankommen. Das Interesse, die Wertschätzung, die wir ihrer Kultur entgegenbringen: Das überrascht sie und macht sie stolz.

Die Freitagsmoschee von Isfahan entstand im zehnten Jahrhundert. Unzählige Künstler und Handwerker haben die Anlage immer weiter ausgeschmückt. (Foto: Lorenz)

Die Unesco-Liste des Welterbes umfasst 1007 Denkmäler in 161 Ländern. Warum haben Sie für Ihren jüngsten Beitrag Isfahan ausgewählt?

Djalali: Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo hat uns die Ickinger Bürgermeisterin angesprochen und gefragt, ob wir einen Film hätten, der der wachsenden Islamfeindlichkeit etwas entgegenstellt. Ich komme aus Isfahan, ich dachte an die Freitagsmoschee, meine Eltern wohnen ganz in der Nähe. Die meisten der Moslems sind friedliebende Menschen, keine Fanatiker. Sie gehen von Herzen in die Moschee, weil sie Gläubige sind, aber auch, um sich dort auszuruhen, sich zu erholen und um sich zu treffen.

Lorenz: So unpolitisch die Filme "Schätze der Welt" auf den ersten Blick erscheinen, so politisch ist doch manchmal die konkrete Aussage. Meistens suchen wir uns unbekannte Orte aus oder solche, von denen wir denken , dass sie in Gefahr sind, zerstört zu werden. In diesem Fall ging es darum, einen Gegenpol zur Bewegung des IS zu schaffen, diesem Irrsinn etwas entgegenzusetzen. Etwas, das Substanz hat: 1000 Jahre islamische Kunst.

Sie haben nicht nur die betörende Schönheit der Moschee eingefangen. Sie dokumentieren auch das offenbar friedliche Zusammenleben der Religionen.

Lorenz: Ja, das hat mich erstaunt. In unmittelbarer Nähe der Moschee gibt es vier Synagogen. Und über dem Fluss, im armenischen Viertel, feiern die Christen ihre Gottesdienste. Mit 13 Kirchen ist Isfahan seit Jahrhunderten so etwas wie eine multireligiöse Stadt.

Djalali: Es stimmt, in Isfahan leben Juden, Christen und Moslems ganz selbstverständlich zusammen. Dass wir ausgerechnet den Ramadan erwischt haben, hing damit zusammen, dass wir sehr lange auf die Drehgenehmigung gewartet haben. Im Nachhinein war es ein Glücksfall, weil so sehr viele Menschen in der Moschee waren.

In Icking daheim, weltweit unterwegs: Faranak Djalali und Rüdiger Lorenz. (Foto: privat)

Lorenz: Vor Ort lief dann alles wie von selbst. Wir haben vier Wochen ohne Probleme gedreht.

Djalali: Die Handwerker, die Geschäftsleute - sie alle kennen und schätzen meine Eltern und haben von Anfang an gesagt: Die gehören zu uns! Wir durften überall hin - bis hinauf aufs Dach der Moschee - und sogar einen Vorbeter filmen.

Vier Wochen Arbeit für 15 Minuten Film?

Zwei Stunden Material werden im SWR-Archiv für die Nachwelt eingelagert. Das ist immer so: Auch als Sicherheit für den Ernstfall. Es braucht nur ein Erdbeben und alles ist unwiederbringlich zerstört. Filmaufnahmen können zumindest mit ihren Bildern etwas überliefern, und trotzdem ist es wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Sie begeben sich seit mehr als 30 Jahren immer wieder gemeinsam in Extremsituationen. Und sind noch verheiratet?

Lorenz: Zuhause in Icking streiten wir mehr, als wenn wir unterwegs sind.

Djalali: Streit gibt es nur, wenn er nicht hört. Wenn ich rufe: Schnell, wir müssen weg, da kommt ein Elefant! Und er dreht einfach weiter.

Lorenz: Elefanten sind harmlos im Vergleich zu manchen Regierungen. Wenn gerade das Licht stimmt und ich tolle Bilder sehe, dann muss ich die auch drehen. Bis vor drei Jahren hatten wir die schwere 35-Millimeter-Film-Ausrüstung dabei. Mittlerweile können wir mit der modernen HD-Technik leichter flüchten.

Wenn Sie einfach so mal verreisen dürften, wo würden Sie hin?

Djalali: Nach Vietnam.

Lorenz: Ich war noch nie in New York. Peinlich. Das muss ich mir auch noch anschauen. Aber dann ist für mich doch immer wieder das interessanter, was keine Beachtung findet.

"Die Freitagsmoschee in Isfahan", Sonntag, 13. Dezember, 19.40 Uhr, 3 sat

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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