"Prepared to Exit":Einer der schönsten Orte - nur nicht für Kunst

Christian Stadelbacher

Christian Stadelbacher ist offensichtlich "prepared to exit". Zum Jahresende schließt er seinen Öha-Kunstraum in Bad Tölz.

(Foto: Manfred Neubauer)

Nach Patrizia Zewe gibt auch Christian Stadelbacher in Bad Tölz auf und zeigt seine letzte Ausstellung im öha-Kunstraum

Von Petra Schneider

"Hier aussteigen" steht an der Tür zum "öha-Kunstraum" von Christian Stadelbacher. Für ihn ist das Aussteigen ein zentrales Thema. Gewohnte Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster zu verlassen schafft Freiheit für neue Erfahrungen - aber auch Unsicherheit. Im Sommer hat der Künstler ein Experiment gewagt, bei dem die Freiheit grenzenlos ist und der Ausstieg eine Grenzerfahrung: Er hat sich aus 4300 Metern aus einer kleinen Propellermaschine gestürzt, ist mit 300 Stundenkilometern im freien Fall in die Tiefe gestürzt und mit dem Fallschirm nach drei Minuten wieder auf dem Boden gelandet. Viel Courage habe er aufbringen müssen, erzählt der 58-Jährige, denn ein Draufgänger sei er nicht: "Mir wird schon am Brauneck mulmig." Auch seine Voraussetzungen hinsichtlich Kondition und Gewicht seien "grenzwertig". Aber die Kunst verlangt Tribut, und so will Stadelbacher seine Aktion verstanden wissen: Als Metapher für das Aussteigen aus sicheren Verhaltenshäfen.

Dokumentationen seiner Kunstaktion "Prepared to Exit" - Fotografien, Filme und Exponate - sind von 15. November an zu sehen. Es ist eine der letzten Ausstellungen im öha-Kunstraum, denn nach zwei Jahren steigt Stadelbacher auch in Tölz aus; zum Jahresende schließt er sein Atelier, wie im Vorjahr bereits Patrizia Zewe. Das Interesse der Leute und die Unterstützung der Stadt hätten einfach gefehlt. Die "Lange Nacht am Jungmayrplatz", bei der einmal im Monat Künstler und Kunsthandwerker ihre Ateliers und Werkstätten öffnen, soll aber auch im kommenden Jahr weiterlaufen, sagt Stadelbacher.

Im tschechischen Klatovy, einer Fallschirmspringer-Hochburg, hat er sich im Sommer viele Male aus Flugzeugen gestürzt. "Fallschirmspringen reduziert alles auf das Wesentliche", sagt Stadelbacher. Um zu überleben, müsse man neue Verhaltensweisen entwickeln - wie bei anderen Ausstiegen auch. "Und irgendwann findet man's dann schön." In der Ausstellung sind zwölf Fotografien zu sehen, welche die Szenerie des Startplatzes einfangen - die pinkfarbene Propellermaschine, den Windpfeil, der anzeigt, in welche Richtung man springen muss, den Bauern, der mit seinem Traktor die Flugbahn mäht.

Eindringlicher zeigt sich der Exit aber in vier Filmen aus unterschiedlichen Perspektiven: Wenn die kleine Maschine höher und höher steigt, der Rasenmäher auf Legogröße schrumpft, die Felder sich zu geometrischen Formen verdichten und Wolken wie im Raum schwimmende Wattebäusche wirken. Wenn sich die Klappe öffnet und einer nach dem anderen ins Nichts springt, um spätestens auf einer Höhe von 800 Metern den Fallschirm zu ziehen.

Auch einige Exponate sind zu sehen: etwa der blaue Overall, in dem er gesprungen ist. Stadelbacher hat ihn in einem Gartenbaugeschäft gekauft und zu einer "Kunstuniform" gestaltet. Sein Kunstverständnis ist eng mit dem Begriff "Relevanz" verknüpft. Kunst müsse "Realitäten aufgreifen und kommunikative Prozesse auslösen", sagt er. Sonst verbleibe sie im Elfenbeinturm und sei bedeutungslos.

Bekannt ist der gebürtige Freiburger, der weiterhin im Isarwinkel wohnen will, durch seine Kuh-Porträts, die im März im Stadtmuseum zu sehen waren. Zwei Ausstellungen in München sind geplant, auch mit einer Berliner Galerie sei er im Gespräch. Im öha hat er in den vergangen zwei Jahren auch Ausstellungen anderer Künstler organisiert - etwa die des Fotografen Michael Fackelmann oder die multimediale Ausstellung "Ein Blick Iran" von Benedikt Fuhrmann. Den Kunstraum wollte Stadelbacher, der freiberuflich als Kommunikationscoach und Personalentwickler arbeitet, zu einem Forum für Kunst und Kommunikation machen. Das habe nicht funktioniert. "Leider", sagt er. Denn eigentlich sei Tölz "einer der schönsten Orte, die ich kenne". Sport und Brauchtum würden gefördert. "Aber Kunst interessiert hier nicht wirklich."

Vernissage "Prepared to Exit" am 14. November, 18 Uhr (Lange Nacht am Jungmayrplatz), öha-Kunstraum, Jungmayrplatz 11, Ausstellung 15. bis 19. November, geöffnet jeweils 14 bis 19 Uhr

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