Mitten in Wolfratshausen:Zwischen Rap und Rammen

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Laubbläser, Rasenmäher, Kreissägen, Motorräder, Monster-Traktoren, Dampframmen: Das Leben in Wolfratshausen ist voller Lärm. Eine Oase der Ruhe war da bisher der Biergarten des Gasthofs Flößerei. Bis man im benachbarten Jugendzentrum La Vida den Rap entdeckt hat - schön laut dank maximal leistungsfähiger Ghettoblaster

Von Wolfgang Schäl

Das Leben ist voller Lärm, der sich im Lauf des Daseins vor und in den Ohrmuscheln ansammelt und festsetzt, bis diese empfindlichen Hörtrichter allmählich zu bröckeln beginnen wie spröde Gummidichtungen. Ohne diesen Schutz aber dringt all der Krach ungehindert in den Kopf: die unseligen Laubbläser, Heckenscheren und Rasenmäher, die Schlagbohrer und Kreissägen der Heimhandwerker rundum, das Bullern und Knattern der schweren Motorräder, die auf der Wolfratshauser Ausfallstraße in aberwitzigem Tempo gen Beuerberg unterwegs sind.

Nahezu bedrohlich wirkt das hubschrauberartige, schon aus weiter Ferne zu vernehmende Wummern der Monster-Traktoren, die auf ihren schweren Gummiwalzen ebenso monströse Heuwagen in Richtung Degerndorf schleppen, ganz zu schweigen von zwei nahen Baustellen rund um die Obermühle. Wochen- und monatelang haben dort Dampframmen Spundwände in den Boden geklopft, haben brüllende Kompressoren Presslufthämmer zum Hämmern gebracht, haben Trampelmaschinen Steinplatten in den Boden getrampelt.

Wie dankbar war unsereiner da über die vergangenen freundlichen Herbsttage, an denen man in den Wolfratshauser Flößereigarten flüchten konnte, in eine Oase der Ruhe, ein kostbares, tröstliches Idyll, in dem man ungestört darüber nachdenken konnte, warum alles so verdammt laut sein muss, und ob man nicht lieber als Fisch oder als Schildkröte im ewig schweigenden Ozean dahinschwimmen würde. Aber ach, auch in der Flößerei ist es jetzt vorbei mit der Beschaulichkeit, denn nur einen Steinwurf entfernt, im Jugendzentrum La Vida, wurde irgendwann der Rap entdeckt, jenes unter Musik subsumierte eintönige Hämmern, in dem sich zornige junge Männer aus aller Welt selbst wiedererkennen.

Lauter geht's jedenfalls gar nicht dank maximal leistungsfähiger Ghettoblaster. Nun stellt sich uns die Frage, welche Form der Beschallung denn nun mehr an den Nerven zerrt: das rhythmische Wummern dieses leider sehr angesagten Sprechgesangs oder die Dampframmen, Laubbläser und sonstigen Brüllmaschinen. Um ehrlich zu sein: Eine befriedigende Antwort darauf haben wir bisher nicht gefunden.

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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