Mitten in Kochel a. See:Der wunderliche Punkt

Lesezeit: 1 min

Warum zwei Buchstaben manchmal einer zu viel sind

Von Wolfgang Schäl

Seit Jahrzehnten sinnieren wir ergebnislos über die Abkürzung des Ortsnamens Kochel "a." See. Nun endlich werfen wir an dieser Stelle die Frage auf, wem mit dieser kuriosen Kurzform der Präposition "am" gedient ist, jetzt und heute, da das Handschriftliche doch aus dem Alltag verschwindet. Die einzige Erklärung für diesen wunderlichen Punkt wäre ja, dass er beim manuellen Schreiben schneller von der Hand geht als so ein mühsam gemaltes "m", das aus drei Säulen und drei Rundbogen besteht. Für einen Ungeübten ist das schon aufwendig. Einen Punkt dagegen tupft man schnell mal hin, rein geometrisch betrachtet hat er ja nicht einmal eine Ausdehnung. Angesichts unserer streng getakteten Arbeitswelt könnte dies in der Verwaltung der Seegemeinde pro Namensnennung einen Vorsprung von circa einer Zehntelsekunde erbringen, der auf ein Jahrhundert hochgerechnet dazu beitragen könnte, eine Viertelstelle im Rathaus einzusparen. Aber wir schreiben ja alle nur noch auf Tastaturen, und am PC ist der Punkt ebenso ein Anschlag wie das kleine Emmchen, der Vorteil der gewonnenen Zeit entfällt mithin völlig.

Gleichwohl bemühen wir uns, einen Sinn hinter dem "a." zu erkennen und mutmaßen, dass die trügerische Abkürzung für so eine Fremdenverkehrsgemeinde ein Alleinstellungsmerkmal ist. Kochel a. See, sagt sich der umworbene Gast womöglich, ach, in dieser sympathischen Pünktchengemeinde, da übernachten wir doch mal und gehen toll shoppen und essen und anschließend rudern. Die Tüpfelchen hatte ja auch die F.D.P. mal als politisches Programm. Warum sind aber andere noch nicht auf die Idee gekommen? Wir werden es herausfinden. Für das namensmäßig arg schmucklose Wolfratshausen schlagen wir bis dahin schon mal vor, endlich unseren Fluss- an den Stadtnamen anzuhängen, nur mit Pünktchen, dafür ganz ohne a und am Schluss mit markantem Ausrufezeichen. Wolfratshausen. Loisach! Das klingt bodenständig und verheißungsvoll, nach starken Flößerarmen, Blasmusik und überquellenden Bierkrügen. Macht natürlich auch etwas mehr Arbeit.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: