Mitten in Geretsried:Vogelfrei und vogelwild

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Von Sinn und Unsinn einer Voliere

Von Thekla Krausseneck

Wer nach Symbolen für die Freiheit googelt, der stößt auf stilisierte Vögel. Mal ist es nur ein Flügel, ganz oft aber sind es Tauben oder Adler. Gibt es etwas Freieres als ein Lebewesen, das die Fesseln der Schwerkraft überwindet, indem es die Gesetze der Aerodynamik und Thermik nutzt? Fliegen zu können wie ein Vogel, das ist ein alter Menschheitstraum. Manche fliegen im Traum und empfinden diese Träume als die schönsten. Der Vogel ist frei.

Was hat er also in einem Käfig zu suchen? Gibt es nichts Widersprüchlicheres als einen Vogel in einem Käfig? Anscheinend nicht. Wellensittichbesitzer geben ihren Vögeln Namen, zähmen sie und erfreuen sich an ihrem Gezwitscher. Wenn ihnen die Vögel ausbüxen, sind sie traurig und suchen nach ihren Haustieren, zu denen sie eine - zutiefst menschliche - Verbindung aufgebaut haben. Der Vogel im Käfig kann zu einem Freund werden, gar zu einem Familienmitglied, wie eine Katze, die immer wieder nach Hause kommt. Dennoch bleibt dieser Freund ein Vogel in einem Käfig. Ein Vogel, der in der Regel Flügel hat, weil er hinaus in die Lüfte gehört.

Es gibt sogar Vogelkäfige im Wald. Einen solchen hat der Kleintierzüchterverein vor 25 Jahren am Geretsrieder Schulzentrum aufgestellt; fast genauso lang kümmert sich Ingrid Brauner um die Tiere. Für sie war es ein Schrecken, als sie Anfang August erfuhr, dass Jugendliche das Gitter der Voliere eingetreten hatten. 25 Vögel waren dadurch entkommen. Hohn oder Schadenfreude sind trotzdem nicht angebracht: Denn für die Vögel kann die Freiheit auch den Tod bedeuten. Sie kennen die nackte Natur nicht und damit auch nicht die Gefahren, die dort etwa in Gestalt von Greifvögeln lauern. Mancher Jäger dürfte sich über die exotische Mahlzeit gefreut haben. Damit das nicht noch einmal passiert, bekommt die Voliere nun ein doppeltes Gitter für bis zu 10 000 Euro. Brauner dankt den Spendern, die 1500 Euro zusammengetragen haben.

Immerhin: Einem papageienbunten Rosellasittich ist es gelungen, sich an die Isar zu retten. Fotos zeigen, wie er hübsch und munter in einem Baum sitzt. Zu futtern findet er also anscheinend genug. Und erwischen, sagt Brauner, wird sie ihn wohl eh nicht.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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